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In der Turnhalle leben Flüchtlinge, für alternative Sportstätten fehlt das Geld.

© Thilo Rückeis

Schulen in Berlin: Ein Beispiel aus Lankwitz: Flüchtlinge in der Sporthalle: Schüler turnen auf dem Flur

Dutzende Schulen leiden unter der verzögerten Rückgabe ihrer Turnhallen. Für den Sportunterricht wird improvisiert - oder er fällt aus. Ein Beispiel aus Lankwitz.

Links an der Wand steht ein Flügel, rechts sind Plastikstühle aufeinander geschichtet. Eine kniehohe Bühne bedeckt die Hälfte des Bodens im Film- und Multifunktionsraum. Davor hüpfen Jungs und Mädchen beim Seilspringen. Das ist die eine Hälfte der Klasse 4 b. Ein paar Meter weiter, im Flur, vor Panoramascheiben, durch die man auf den Hof sieht, hüpfen auch noch Jungen und Mädchen beim Seilspringen. Das ist die andere Hälfte der 4 b. Sportunterricht in der Ludwig-Bechstein-Grundschule in Lankwitz.

Zwischen den Schülern steht Ines Teubel, die Sportlehrerin, und beobachtet. Vor dem Seilspringen hatte sie mit allen Kindern im Filmraum Aerobic gemacht. Die Schüler ziehen sich getrennt um, in freistehenden Räumen.

Alltag in einer Schule, deren Turnhalle mit Flüchtlingen belegt ist. Die Halle ist nagelneu, sie liegt ein paar Meter weiter, direkt am Sportplatz, der auch zur Ludwig-Bechstein-Schule gehört. 38 Berliner Turnhallen sind derzeit mit Flüchtlingen belegt, rund 3300 Menschen leben dort. Und sie bleiben dort länger als geplant. Der Umzug in Tempohomes verzögert sich wegen diverser Klagen. Rund 10.000 Schüler sind von der Hallensituation betroffen, genauer kann es die Senats-Schulverwaltung nicht sagen.

Gabi Bähnemann dagegen kann konkrete Zahlen liefern. Sie leitet die Ludwig-Bechstein-Schule, die Musiklehrerin sagt: „Wir haben 271 Schüler, alle sind von der Situation betroffen.“ Die Situation: Vor 13 Monaten zogen die Flüchtlinge in die Halle, wann sie ausziehen, ist völlig unklar, aber Gabi Bähnemann sagt: „Ich wette, dass wir die Halle in diesem Schuljahr nicht mehr benützen können.“

Schadensbegrenzung statt Sportunterricht

Die Ludwig-Bechstein-Schule steht mit ihren Problemen erstmal grundsätzlich stellvertretend für die Schwierigkeiten aller betroffenen Lehranstalten in Berlin. Andererseits ist bei ihr die Situation durchaus verschärft. „Wir sind eine Brennpunktschule“, sagt Bähnemann, „wir haben keinen guten Ruf. Und genau unsere Schüler bräuchten eigentlich einen geregelten Sportunterricht.“

Aber das Einzige, was sie in ihrem Büro im ersten Stock regelt, ist die Schadensbegrenzung. 14 Klassen hat sie, zwei davon bestreiten derzeit ihren Sportunterricht zu 80 Prozent im Flur oder im Filmraum. Die 4 b gehört dazu. Die anderen Klassen machen Ausflüge, besuchen Schwimmbäder, Kletterhallen oder die Sporthalle der nahegelegenen Peter-Frankenfeld- Schule. Oder der Sportunterricht fällt ganz aus. „Dann unterrichtet der Klassenlehrer“, sagt Gabi Bähnemann.

Natürlich gibt es den Sportplatz. „Aber mit dem als Lösung sind wir eher unglücklich“, sagt die Schulleiterin. Im Sommer waren zeitgleich Flüchtlinge auf dem Platz, das fanden nicht alle Schüler toll. Jetzt im Herbst wollen Eltern nicht, dass ihre Kinder draußen Sport treiben. „Sie haben Angst, dass ihre Kinder krank werden“, sagt die Schulleiterin. „Oder es fehlt die Bereitschaft von Eltern, ihren Kindern Trainingsanzüge zu beschaffen.“

Ausflüge hört sich gut an, „aber in zwei Stunden kann man keinen solchen Ausflug machen“, sagt Bähnemann. „Also zieht man den Sportunterricht von mehreren Woche zusammen und geht dann ein paar Stunden raus.“ Nur: In den darauf folgenden zwei Wochen gibt es dann keinen Sport für diese Schüler.

Bähnemann: "Mir laufen die Sportlehrer weg"

Nächstes Problem: das Geld für diese Ausflüge. Die Senats-Schulverwaltung hatte im „Bündnis für Schulsport“ Geld an Schulen gegeben, für Eintrittskarten und Fahrtkosten. Aber das Programm lief im Sommer aus, erst 2017 soll es fortgeführt werden. Zur Überbrückung hat Bähnemann vom Bezirk Steglitz-Zehlendorf 500 Euro bekommen. „Aber das reicht für nur insgesamt zehn Ausflüge.“ Ausflug bedeutet aber auch, „dass ich einen Vertretungsplan aufstellen und mir eine Begleitperson aus den Rippen schälen muss“, sagt Bähnemann. Sportlehrer hat sie schon aus der Pausenaufsicht genommen, „weil die ständig unterwegs sind“.

Wenn Sportunterricht, zum Beispiel in der Halle der Frankenfeld-Schule, auf die ersten beiden Schulstunden fällt, „dann kommen die Kinder vom Sport zurück und frühstücken erstmal“, sagt Bähnemann. „Damit fällt ein Teil der nächsten Stunde aus.“ Zudem ist diese externe Halle nicht für alle Klassen nutzbar. Wenn jemand in der Bechstein-Schule Sport auf dem Stundenplan hat, kann es sein, dass die Halle nicht frei ist. Nächstes Problem von Bähnemann: „Mir laufen die Sportlehrer weg.“ Zudem unterrichten alle Sportlehrer in Teilzeit.

Im Flur hat inzwischen Cheyenne, neun Jahre alt, ihr Seil zur Seite gelegt. Sie vermisst die Turnhalle, weil „wir im Flur keine Ballspiele mit Linien machen können“. Immerhin aber findet Fina, auch neun Jahre alt, hier den Sportunterricht „cool“. Interessant, und weshalb? „Weil ich hier Sachen lerne, die ich zu Hause üben kann. Seilspringen zum Beispiel.“

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