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Schulen in Kreuzberg: Empörung über Wowereit

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ist kinderlos und wohnt in Charlottenburg. Hätte er jedoch Sprösslinge, würde er sie nicht auf eine Kreuzberger Schule schicken. Mit dieser Äußerung hat er heftige Reaktionen bei Politikern aller Parteien hervorgerufen.

Berlin - Eine entsprechende Frage in der N24-Sendung "Links-Rechts" hatte Wowereit (SPD) am Mittwochabend mit "Nein" beantwortet und hinzugefügt: "Ich kann auch jeden verstehen, der sagt, dass er da seine Kinder nicht hinschickt." Mit dieser Bemerkung über die Schulen des Stadtteils mit hohem Migrantenanteil und vielen sozialen Brennpunkten brachte der derzeit beliebteste Politiker der Stadt Freund und Feind gegen sich auf.

Sehr verärgert ist der Bürgermeister des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne). Er forderte eine Entschuldigung und eine Korrektur dieser "katastrophalen" Einschätzung. Mit der "unsäglichen" Äußerung mache Wowereit die gesamte engagierte Arbeit von Lehrern, Schülern und Schulleitern in dem Stadtteil zunichte, sagte Schulz. Der Regierungschef sollte künftig nur noch Bewertungen über Schulen abgeben, die er auch wirklich kenne.

Schulz verwies darauf, dass am Montag die Kreuzberger Lemgo-Grundschule für ihr gelungenes Schulprojekt "Vorbilder machen Mut" mit der "Berliner Tulpe" für deutsch-türkischen Gemeinsinn ausgezeichnet werde. Die Preisübergabe im Roten Rathaus übernehme Wowereit. Nach dieser Äußerung, sagte Schulz, wäre es nur konsequent, wenn er den Preis nicht übergeben würde.

"Verheerendes Zeugnis für Kreuzberg"

Kritik kam auch vom Koalitionspartner. Das war "keine glückliche Äußerung", sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Linkspartei/PDS und Integrationsexperte Udo Wolf. Sie stehe auch "im Widerspruch" zur Absicht der Koalition, mit Pilotprojekten zur Gemeinschaftsschule die schulische Situation zu verbessern. Gerade solchen Tendenzen, dass manche erfolgreiche Eltern mit türkischem Hintergrund in Kreuzberg oder Neukölln auch darüber nachdächten, ihren Nachwuchs in weniger problembelasteten Kiezen zur Schule zu schicken, müsse entgegengewirkt werden.

CDU- und FDP-Fraktion bezeichneten die Aussage derweil als bildungspolitische "Bankrotterklärung". CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger monierte: "Wowereit stellt Kreuzberg damit ein verheerendes Zeugnis aus und stigmatisiert einen ganzen Bezirk." Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig forderte, die Probleme an Kreuzberger Schulen anzugehen, statt sie durch "unbedachte Äußerungen" zu verschärfen.

"Politisch instinktlos"

Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Rose-Marie Seggelke, forderte von Wowereit, sich für seine "zynischen" Bemerkungen bei allen Lehrern in Kreuzberg "ganz dringend und sofort" zu entschuldigen. Sie empfehle ihm eine Tour durch den Stadtteil und seine Schulen, um zu sehen, mit wie viel Engagement dort gelehrt werde. Vielleicht sollte Wowereit sogar einen Tag lang Unterricht an einer Schule geben. Der Vorstandssprecher der Vereinigung der Oberstudienräte Berlins, Harald Mier, kritisierte, pauschal die Schulen eines Stadtteils so zu diffamieren sei "politisch instinktlos".

Verständnis äußerte lediglich Innensenator Erhart Körting (SPD). "Ich glaube, er hat damit darauf angespielt, dass Eltern bestimmte Ängste haben und dass er diese Ängste versteht und ernst nimmt", sagte er. Der SPD-Politiker fügte jedoch hinzu: "Wenn ich in Kreuzberg wohnen würde, dann würde ich meine Kinder auch nach Kreuzberg zur Schule schicken, da hätte ich keine Berührungsängste." (Von Mey Dudin und Claudia Pietsch, ddp)

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