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Es gibt groé Unterschiede zwischen staatlichen und freien Schulen.

© Harald Tittel/dpa

Schulpolitik in Berlin: Studie: Privatschulen sind zu teuer

Forscher beklagen eine grundgesetzwidrige soziale Auswahl und kritisieren ein „Kontrolldefizit“.

Einen ziemlichen Wildwuchs bei den Elternbeiträgen von Berlins freien Schulen hat das Wissenschaftszentrum Berlin ausgemacht. Es untersuchte die Schulgeldhöhen und kommt in einer am Donnerstag vorgestellten Studie zu dem Ergebnis, dass sich von 160 freien Schulen nur 50 an die Senatsvorgabe halten, als Mindestbeitrag unter 100 Euro pro Monat zu bleiben. Rund 110 Schulen sind teurer: Knapp 20 von ihnen verstoßen sogar „eklatant“ gegen die Vorgaben, indem sie 200 Euro aufwärts verlangen.

Ausgangspunkt der Studie ist Artikel 7 des Grundgesetzes, wonach eine „Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen der Eltern“ nicht gefördert werden darf. Ganze Generationen von Richtern und Wissenschaftlern haben sich an diesem Absatz bereits abgearbeitet. Nun also ein neuer Versuch.

Berliner Kontrolldefizit

Die Autoren Michael Wrase und Marcel Helbig interessieren sich generell für das soziale Auseinanderdriften der Schulen. Berlin ist für dieses Thema ein dankbares Pflaster, denn hier sind die sozialen Unterschiede zwischen den Bezirken so stark, dass selbst innerhalb der staatlichen Schulen die Einkommensunterschiede extrem auseinanderklaffen. Im aktuellen „Diskussionspapier“ haben sich die Forscher mit der Frage beschäftigt, wie groß die Unterschiede zwischen den staatlichen und öffentlichen Schulen und innerhalb der freien Schulen sind. Das Ergebnis: In den staatlichen Grundschulen stammt mehr als jedes dritte Kind (36,5 Prozent) aus Sozialtransferfamilien, in den freien Grundschulen im Schnitt nur jedes 14. Kind (sieben Prozent) und bei den sehr teuren freien Trägern nur rund jedes 50. Kind (1,66 Prozent).

Den Hauptvorwurf wegen der mangelnden Mischung machen die Autoren den Landesregierungen, die überwiegend keine Vorgaben treffen, um das Sonderungsverbot einzuhalten. Dies gelte auch für Berlin: Der Bildungsverwaltung attestieren sie ein „erhebliches Regulierungs- und Kontrolldefizit“. Es gebe Vorgaben, die aber „überwiegend nicht ernst genommen werden“. Wobei die Lage in Hessen schlechter sei: Dort existierten „überhaupt keine konkreten Vorgaben zur Einhaltung des Sonderungsverbots“.

Mehreinnahmen durch hohe Schulgelder können in Berlin und Hessen – anders als in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder künftig Baden-Württemberg – auf die staatliche Förderung aufgeschlagen werden. Dadurch würden Privatschulen, die hohe Schulgelder erheben, vom Staat ebenso gefördert wie Schulen mit einem höheren Anteil von Kindern aus einkommensschwächeren Familien, kritisieren die Sozialforscher.

Scheeres räumt Versäumnisse ein

Die Bildungsverwaltung räumt ein, dass sie es in der Vergangenheit nicht so genau genommen habe mit der Kontrolle. „In der letzten Legislatur wurde überhaupt erst eine eigene Privatschulaufsicht etabliert, die Kontrollen durchführt. Das gab es vorher so nicht“, teilte die Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit, die damit unverhohlene Kritik an den SPD-Vorgängern Klaus Böger und Jürgen Zöllner übt.

Künftig soll alles anders werden: Die Verwaltung arbeitet seit langem mit den freien Trägern an einer neuen Zuschussverordnung. Geplant ist, dass künftig berücksichtigt werden soll, wie viele Schüler mit Förderbedarf oder aus Transferfamilien beschult werden.

Dass die Politik Regelungen schaffen kann, die dem Verbot der sozialen Auswahl des Grundgesetzes Rechnung tragen, zeigt laut Studie das Beispiel Baden-Württemberg. Dort sieht das geplante neue Gesetz eine Grenze für das Schulgeld von 160 Euro pro Monat vor. „Zwingend vorgeschrieben wird eine Einkommensstaffelung der Elternbeiträge, die zudem maximal fünf Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen dürfen“, berichten die Forscher.

Der Verband Deutscher Privatschulverbände beklagte am Donnerstag, dass die freien Schulen von den Autoren der Studie nicht eigens befragt worden seien. Es seien nur vorliegende Daten ausgewertet worden. Daher seien sie zu „realitätsfernen Ergebnissen“ gekommen. Im Übrigen spare der Staat durch die freien Schulen jedes Jahr „viele Milliarden Euro", weil er die Schulplätze nur zu 60 bis 70 Prozent finanziere. Für diese „Deckungslücke“ müssten Eltern und Schulträger aufkommen.

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