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Schultheiss-Brauerei

© Thilo Rückeis

Schultheiss-Brauerei: Langsame Gärung

Das Gelände der einstigen Schultheiss-Brauerei in Moabit soll für 85 Millionen Euro umgestaltet werden. Doch Mittes Baustadtrat kann sich mit den Plänen des Projektentwicklers nicht anfreunden.

Familie Werner hat sich mit ihrem Getränkemarkt verabschiedet. Nach 28 Jahren, wie auf einem Zettel an der Tür zu lesen ist. Es gebe neue Nutzungsideen, neue Grundstückseigentümer, sie hätten keine Chance mehr. Werners bedanken sich bei der Kundschaft für die jahrelange Treue: „Mit den besten Wünschen für den zukünftigen Getränke-Einkauf“.

Seit eineinhalb Jahren ist hier, an der Ecke Turm- und Stromstraße, ein Einkaufszentrum geplant. Noch immer ist nichts entschieden, das nervt die Gewerbetreibenden. Es gibt hinter den Kulissen reichlich Knatsch, über die endgültige Form streiten sich Investor und Bezirk.

Aber das Bebauungsplanverfahren mit Bürgerbeteiligung ist nunmehr eingeleitet. Bis zur Perleberger Straße erstreckt sich das einstige Schultheiss-Brauereigelände, das noch ein Gewerbehof ist. Noch gibt es hier das Sudhaus-Restaurant, einen Bau- und Tapetenmarkt, Fitnessstudios, Autowerkstätten. Und es gibt Hans Gluth mit seinem Radioladen. Seit 1952 ist das Geschäft am Ort. Gluth, der es vor 38 Jahren übernahm, ist der älteste Mieter hier und kann sich die Überlebenschancen seines Ladens ausrechnen. „Der „Zustand ist nicht erträglich“, sagt er.

Unerträglich findet den Zustand auch die HLG-Projektmanagement, die eigentlich schon längst ihr 85-Millionen-Projekt „Schultheiss-Quartier“ bauen wollte. Die alte Bausubstanz der Brauerei, mit Hofgebäude und Schornstein, bleibe „zu 78 Prozent“ erhalten, man werde sie behutsam zum 20 000 Quadratmeter großen Einkaufszentrum ergänzen, mit Hauptmietern wie Kaufland und C&A, Einzelhandel, Gastronomie, Ärztezentrum und 600 Stellplätzen in zwei Parketagen in Höhe Perleberger Straße. Doch Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) wolle das Projekt „kaputtmachen“, sagt Reinhard Müller vom Planungsbüro Rem + tec, das die Entwürfe entwickelt hat.

Müller erinnert daran, dass seine Planung im September 2006 beim vorherigen Bezirksamt auf Wohlwollen stieß und Grundlage des Bebauungsplanverfahrens wurde. Nach langer Diskussion mit dem Bezirk hätten sich die Investoren auch bereit erklärt, trotz „funktionaler Probleme“ eine zum Abriss bestimmte Halle stehen zu lassen und sie für die unterirdische Anlieferung zu unterbauen. Der Bezirk wolle nun auch ein weiteres altes Gebäude, das zunächst abgerissen werden sollte, erhalten: Man habe der Behörde vorgeschlagen, die Fassade zu retten. Aber das Bezirksamt schalte auf stur, die Fronten hätten sich verhärtet. Das sei sehr bedauerlich, da Moabit und die Turmstraße dringend aufgewertet und auch für Kunden aus Wedding und dem Hansaviertel attraktiv werden müssten.

„Es klemmt“, bestätigt der Baustadtrat, und spricht von einem „unglücklichen“ Beschluss des vorherigen Bezirksamtes für das jetzt angelaufene „vorhabensbezogene“ Bebauungsplanverfahren. Die geplante Verkaufsfläche sei hart an der Grenze, die geplante Bebauung mit dem Denkmalschutz nur schwer zu vereinbaren. Aber die Behörde sei wegen ihres früheren Beschlusses „durch Rechtsanwälte gezwungen“, die frühzeitige Bürgerbeteiligung für das Projekt einzuleiten.

Fragen des Denkmalschutzes müssten geklärt werden, der Landesdenkmalrat werde sich in Kürze damit beschäftigen, sagt Gothe. Die vorhandene Wegführung des Geländes werde durch das zweistöckige Parkdeck im hinteren Kaufland-Bereich an der Perleberger Straße beeinträchtigt und zur Sackgasse. Die Parketagen müssten nicht im hinteren Bereich, sondern besser an der Turmstraße entstehen. Die künftigen Kaufland-Kunden sollten wohl nicht so weit zum Auto laufen müssen. Es sei „ziemlich verfahren“.

Das Landesdenkmalamt bescheinigt dem zwischen 1871 und den zwanziger Jahren errichteten Brauerei-Ensemble eine „außergewöhnliche architektonischer Qualität“. Es wirke geschlossen, habe gut erhaltene Wege, Umfassungsmauern und Freiflächen. Bis heute hätten sich sämtliche baulichen Bestandteile der Brauerei erhalten, die hier noch bis in die achtziger Jahre arbeitete. Die seitherige Mischnutzung ließe sich „weiter entwickeln und stärken“. Das klingt in den Ohren des Investors nicht aufmunternd.

Simulationen des Büros Rem + tec zeigen moderne Läden, Glas und Stahl in Kombination mit denkmalgeschützten Gebäuden, fröhliche Menschen in Passagen. Sie zeigen auch Alternativen: Das Projekt mit und ohne vorhandener Straßenmauer an der Perleberger Straße. Ein Parkhaus an der Turmstraße, wie es der Bezirk jetzt will, zeigen sie nicht.

Die Investoren hoffen nunmehr auf einen Baubeginn frühestens im nächsten Jahr. Die Werners haben mit ihrem Getränkemarkt wohl zu früh das Feld geräumt.

Christian van Lessen

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