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Berlin: Schwaben raus – auf die Bühne

AUFTRITT DER WOCHE Die Fantastischen Vier spielen heute Abend in Friedrichshain. Ein Heimspiel Denn die Band dreht in Berlin ihre Videos, nimmt ihre Songs auf – und Michi Beck wohnt sogar hier

Die Fantastischen Vier werden gern die „Urväter des deutschen Hip-Hop“ genannt, schlicht „die Fantas“ oder auch „die Stuttgarter“ – wobei letzteres Synonym eigentlich gar nicht mehr so richtig passt. Denn im Laufe der 21-jährigen Bandgeschichte haben alle vier Musiker ihre Heimatstadt verlassen. Und oft führten ihre Weg dabei nach Berlin, nicht nur an diesem Montagabend, an dem sie vor 15 000 Fans in der O2-World spielen.

Der erste war Smudo, er zog der Liebe wegen nach Hamburg. Von dort ist der Hobbypilot mit seiner Beechcraft Bonanza ziemlich oft nach Tempelhof geflogen („Berlin ist irre aus der Luft!“) und hat auch am großen Protestflug zur Offenhaltung des Airports teilgenommen. Thomas D. verließ ebenfalls Stuttgart und gründete vor zehn Jahren eine Hippiekommune in der Eifel. Michi Beck hingegen lebt seit neun Jahren ständig in Berlin, wo auch der vierte Bandkollege Andy Ypsilon oft anzutreffen ist, der als einziger nach Umwegen wieder in Stuttgart gelandet ist. Die vier Musiker sind meistens in Mitte unterwegs, denn in der Schlegelstraße sitzt ihr eigenes Musiklabel „Four Music“. Auch dieses befand sich einst in Stuttgart. Der Umzug „war ein überlebenswichtiger Beschluss“, sagt Michi Beck, 42. „Kleinere Städte haben zwar oft eine interessante Musikszene. Aber um genug Künstler für ein Label zu finden, muss man da sein, wo wirklich die Musik spielt.“ Also in Berlin.

Beck zog dem Label hinterher, zuerst nach Prenzlauer Berg. Er habe sich schnell eingewöhnt, sagt er, „wahrscheinlich weil man in Berlin sowieso weniger in ein feststehendes Umfeld hineinkommt. Hier kommen ja fast alle von woanders her.“ Mittlerweile wohnt er in Friedrichshain, weil es dort „weniger touristisch“ ist, und er fühlt sich zu Hause dort. Berlin sei die Stadt, auf die er sich nach einer langen Tournee freue. Stuttgart ist die Vergangenheit, der Ort, wohin er fährt, um die Eltern und die Großmutter zu besuchen. Ansonsten ist nur der schwäbische Akzent geblieben, der noch leicht zu hören ist.

Die Stadt spielt auch im Arbeitsalltag eine wichtige Rolle. In Berlin nehmen die Fantastischen Vier viele Songs auf im Tonstudio von DJ Thomilla, der zusammen mit Beck das DJ-Projekt „Turntablerockers“ bildet. Auch die Musikvideos der Band wurden fast alle hier gedreht. Zuletzt spielten die Filmszenen zum Lied „Danke“ auf einem Sportboot auf der Spree, in Kreuzberg und Mitte.

Für Beck ist das Konzert am heutigen Montagabend in der O2-Arena ein Heimspiel. Das ist auch an der Gästeliste zu erkennen, die sehr lang ist. „Von allen Konzerten der Tournee kommen hier die meisten Gäste, die ich persönlich kenne“, sagt er. Vor der Show der Fantastischen Vier tritt heute der viel gelobte Rapper Marteria auf. Auch er ist nach Berlin gezogen, wohnt in Friedrichshain und hat an der Platte „Stadtaffe“ von Peter Fox mitgearbeitet.

Als Berliner will sich Beck aber noch nicht bezeichnen. Das komme frühestens, wenn er hier mehr Zeit verbracht hat als in Stuttgart. Er finde es ohnehin seltsam, „wenn Leute, die hierherziehen, gleich den Berliner markieren“. Zumal das Thema Stuttgarter in Berlin ohnehin ein eigenes Kapitel für sich ist. In Stadtteilen wie Prenzlauer Berg entlädt sich immer wieder der Unmut über steigende Mieten, angeblich verursacht durch besserverdienende Zugezogene aus anderen Teilen der Republik, für die „die Schwaben“ mittlerweile eine Art Sammelbegriff geworden sind. Beck kann solche Reaktionen zum Teil sogar verstehen. „Die Vorurteile, dass Schwaben fleißig und erfolgsorientiert sind, treffen ja oft zu“, sagt er. Den Schwabenhass hingegen findet er lächerlich. „Auf die Schwaben zu schimpfen, die einem die Wohnungen wegnehmen, ist auch nichts anderes als auf Ausländer zu schimpfen, die einem die Arbeitsplätze wegnehmen.“

Das Konzert in der O2-World in Friedrichshain beginnt heute um 20 Uhr. Es sind nur noch wenige Eintrittskarten zu kaufen, ab 63 Euro.

Christian Helten

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