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Berlin: Schwarz geärgert

U-Bahn-Kontrolleure gaben die Arbeit auf, weil 140 Berliner nervten und ohne Ticket fuhren Die folgten FU-Professor Grottian und protestierten gegen den Wegfall des Sozialfahrscheins

Die fünf Kontrolleure am U-Bahnhof Kottbusser Tor haben aufgehört zu arbeiten. Eine Stunde lang waren gestern sie von rund 15 jungen Leuten verfolgt worden. Einer hatte ein Pappschild mit den roten Buchstaben „KONTROLLEUR“ an einen Besen gehängt und hielt es einem der Männer über den Kopf. Das Ganze war Teil der Aktion „Fahrt schwarz!“, zu der ein Kreis um den Professor der Freien Universität Peter Grottian aufgerufen hatte. Die Organisatoren wollten dagegen protestieren, dass es seit 1. Januar das Sozialticket für BVG und S-Bahn nicht mehr gibt. Sozialhilfeempfänger müssen jetzt statt 20,40 Euro monatlich 58,50 Euro zahlen. Die BVG begründete die Entscheidung damit, dass der Senat die Zuwendungen um 17 Millionen Euro gekürzt hat. Die Protestierer hatten deshalb alle Berliner mit weniger als 700 Euro Einkommen aufgerufen, am Sonnabend zwischen 10 und 18 Uhr schwarz zu fahren. Strafgelder wollten Grottian und einige Kollegen aus eigener Tasche ersetzen.

Rund 140 Menschen, meist Studenten, waren in U- und S-Bahn unterwegs, um die Fahrgäste über die Kürzungen zu informieren – und die 80 eingesetzten Kontrolleure an ihrer Arbeit zu hindern. Nicht immer gelang es den Studenten, sie von der Arbeit abzubringen. Ein S-Bahn-Sprecher bezeichnete die Aktion als Misserfolg: Es sei keine erhöhte Zahl an Schwarzfahrern festgestellt worden, genaue Zahlen lagen aber noch nicht vor. Die Veranstalter waren zufrieden: „Wir haben die Kontrolleure genervt, einige haben das Handtuch geworfen“, so Grottian.

Während manche Kontrolleure versuchten, die Protestierer von den Bahnhöfen zu vertreiben, äußerten andere Verständnis. „Wir sind ja ’ne Demokratie“, sagte einer, der seinen Namen nicht nennen wollte. Manche Fahrgäste lachten, wenn die Protestler mit ihren Pappschildern in die Waggons einfielen. „Gut, dass die Studenten sich mal nicht nur um ihren eigenen Kram kümmern“, fand Ivan Schless aus Pankow. Auch seine Frau fand die Aktion gut: „Andererseits muss ja gespart werden. Wo soll man da anfangen?“

Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Organisatoren aufgenommen. Der Vorwurf: Aufruf zu einer Straftat. Peter Grottian gab sich gelassen. Er hoffe, dass sich die Ermittlungen auf ihn beschränkten. „Ein Richter wird sicher milde urteilen.“

Bis zum Abend hatte Grottian acht Schwarzfahrern ihr Bußgeld ersetzt. Weitere 25 hätten sich im Laufe des Tages telefonisch gemeldet, viele Briefe würden wohl folgen. Harald Stahl bekam als erster die 40 Euro. Der Sozialhilfeempfänger kann sich nach eigener Aussage die Monatskarte jetzt nicht mehr leisten: „Seit dem 1. Januar fahre ich schwarz.“

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