zum Hauptinhalt
307856_0_5cf2cca1.jpg

© Imago

Schwarz-Gelbe Pläne: Dunkle Wolken über der Mieterstadt Berlin

Empörung über die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung, den Kündigungsschutz zu lockern. Haus-Eigentümer loben, dass Modernisierungsmaßnahmen leichter durchgesetzt werden können.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Schwarz-Gelb im Bund will den Kündigungsschutz für Mieter verschlechtern. Dagegen laufen in Berlin, wo 87 Prozent der Haushalte in Mietwohnungen leben, Verbände und Politiker Sturm. „Das ist absolut unsozial und völlig unnötig“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter. „Mit der geltenden Regelung sind auch die Vermieter in Berlin gut klargekommen.“

Seit der Mietrechtsreform 2001 und einer juristischen Nachbesserung 2005 gilt für Mieter, die ihre Wohnung aufgeben wollen, eine einheitliche dreimonatige Kündigungsfrist. Unabhängig von der Dauer des Mietverhältnisses. Wenn ein Vermieter wegen Eigenbedarfs oder „nicht angemessener wirtschaftlicher Verwertung“ der Wohnung kündigen will, muss er eine sechs- bis neunmonatige Kündigungsfrist wahren, je nach Mietdauer. „Dieser Unterschied hat einen tieferen Sinn und verstößt auch nach oberster Rechtsprechung nicht gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz“, sagt Vetter.

Die neue Bundesregierung strebt aber „einheitliche Kündigungsfristen“ für die Mieter und Vermieter an, heißt es im Koalitionsvertrag. Nach allem, was bisher bekannt ist, sollen künftig auch die Vermieter eine Wohnung binnen drei Monaten kündigen können. „Obwohl es für den Hauseigentümer in der Regel viel einfacher ist, einen Nachmieter zu finden, als für den Mieter eine neue, vergleichbar gute und preisgünstige Wohnung“, so Vetter. Nur Hochbetagte und Gebrechliche können weiterhin auf einen großzügigen Kündigungsschutz hoffen.

Der Stadtentwicklungsexperte der SPD, Daniel Buchholz, kündigt bereits an, dass sich die rot-rote Landesregierung „mit allen politischen Mitteln gegen die Verschlechterung von Mieterrechten wehren wird“. Die geplante Verkürzung des Kündigungsschutzes auf drei Monate sei ein massiver Eingriff und werde die Mietpreise nach oben treiben, weil sich die Betroffenen schnell eine neue Wohnung suchen müssten, ohne in Ruhe auswählen zu können.

Singles und Senioren, die sich nur kleine und billige Wohnungen leisten könnten, müssten kurze Kündigungsfristen besonders fürchten, meint Uwe Doering, wohnungspolitischer Sprecher der Linken. Die Vermieter würden ermutigt, langjährige Mieter mit besonders günstigen Mietverträgen loszuwerden, um die Wohnung dann deutlich teurer vermieten zu können. „Bei Haushalten mit höheren Einkommen sehe ich weniger Probleme.“ Auch der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto befürchtet, dass ältere Menschen besonders unter der neuen Regelung leiden werden. „Sie sind nicht mehr so flexibel und brauchen genügend Zeit, um sich etwa bei einer Eigenbedarfskündigung nach neuem Wohnraum umzusehen.“ Er sehe die Pläne von Schwarz-Gelb sehr kritisch.

Dagegen begrüßt die Eigentümer-Schutzgemeinschaft „Haus und Grund“ in Berlin die angekündigte Veränderung der Kündigungsfristen. Die neue Koalition habe die Bedeutung der privaten Immobilieneigentümer erkannt und nehme deren Probleme ernst. Das Lob der Grundeigentümer gilt auch einem anderen Vorhaben von Union und FDP: Mieter sollen künftig energetische Modernisierungen dulden, ohne die Miete mindern zu können, wenn Lärm, Dreck und Nichtnutzung von Räumen die Wohnqualität spürbar verschlechtern. Mietrechtsexperten sehen dadurch den Grundsatz verletzt, dass die Beeinträchtigung des Wohnwerts für eine Mietminderung entscheidend ist, aber nicht der Anlass der Baumaßnahmen.

Schwarz-Gelb setzt noch eins drauf: Klimafreundliche Sanierungen sollen laut Koalitionsvertrag auf der „freien Entscheidung des Vermieters“ beruhen. Wenn das so kommt, läuft eine bundespolitische Initiative der Berliner Koalitionsfraktionen SPD und Linke ins Leere, die demnächst im Abgeordnetenhaus eingebracht wird. Rot-Rot will den Mietern das Recht auf Mietminderung einräumen, wenn der Hauseigentümer „den Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung nicht nachkommt“. Außerdem solle der – inzwischen bundesweit – vorgeschriebene Energieausweis „zum festen Bestandteil jedes Mietvertrags“ gemacht werden. Die Chefs der Regierungsfraktionen, Michael Müller (SPD) und Udo Wolf (Linke) haben kürzlich erst angekündigt, eine soziale Mietenpolitik bis zur Abgeordnetenhauswahl 2011 zu einem Schwerpunkt der Regierungsarbeit machen zu wollen.

Das liegt nahe, weil von den fast 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin 87 Prozent vermietet werden. In Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg sind es sogar 95 Prozent. Nur 13 Prozent des Berliner Wohnungsbestands sind selbst genutztes Wohneigentum. In Hamburg, München oder Köln liegt die Eigentumsquote bei über 20 Prozent. Im Städtevergleich sind die Berliner Mieten immer noch sehr niedrig, aber kleine und preiswerte Wohnungen (40 bis 50 Quadratmeter) werden knapp und in den östlichen und westlichen City-Lagen ziehen die Preise deutlich an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false