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Berlin: Schwarz-Grün verträgt sich bisher nur in der Opposition

Die Ökopartei öffnet sich vorsichtig für neue potenzielle Partner Aber die Annäherung des CDU-Fraktionschefs Pflüger reicht ihnen längst nicht

Von Sabine Beikler

Eine langjährige Feindschaft verbindet sie. Wenn es um den Gegner ging, haben Grüne und CDU kaum eine Verbalinjurie ausgelassen: Die Ökos schimpften über die „Law-and-Order-Partei“, „Landowskys schwarze Horden“ oder über die „kriminelle Vereinigung“. Die Union wetterte über die „Schmuddelkinder“, die „Anti-Berliner“ oder die „Ersatzkommunisten“. Der bösen Worte sind – so scheint es – genug gewechselt: Heute kämpfen die Grünen Seite an Seite mit der CDU für Biermanns Ehrenbürgerwürde, für einen Nachtragshaushalt und gegen das geplante Vattenfall-Steinkohlekraftwerk. Und der CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger lädt den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Volker Ratzmann – wie am gestrigen Sonntag – zum CDU-Neujahrsempfang ein und begrüßt ihn sogar namentlich. Es sei schon „vollkommen richtig, in der Opposition zusammenzustehen und die Kritik an Rot-Rot zu bündeln. Dort, wo es geht“, sagte Pflüger. Das wollen die Grünen auch – mit der CDU.

Auf dem Parteitag am Sonnabend haben die Grünen mit einer deutlichen Mehrheit einen Leitantrag verabschiedet, der politische Offenheit und Unabhängigkeit gegenüber den großen Parteien CDU und SPD proklamiert. Die Partei setzt bewusst weiter auf grüne Themen, die bei ihrer traditionellen Wählerklientel ankommen. Selbstbewusst bezeichnet sich der 3800 Mitglieder starke Landesverband als urbane Metropolenpartei. Ihre Klientel zählt zu den „Realos“: jung, gebildet, gut situiert. Viele Grünen-Anhänger gehören zu den „Postmaterialisten“, denen Werte wie soziale Gerechtigkeit, Frieden, Nachhaltigkeit, Generationengerechtigkeit wichtig sind. Grüne Wähler in der Stadt legen Wert auf Lebensqualität, auf Ökologie und vor allem auf Umwelt- und Klimaschutz. Bei den letzten Abgeordnetenhauswahlen erreichten die Grünen in insgesamt 15 Wahlkreisen mehr als 15 Prozent, vor allem im inneren Stadtgebiet legten sie zu – dieses Wählerpotenzial hat neuerdings auch Pflüger entdeckt.

Forscher sprechen von einem Wertewandel in der Stadtgesellschaft, von „kritischen Bildungseliten“, die sich als potenzielles linkes Milieu immer mehr herausbilden. „Wir haben nicht nur in Steglitz-Zehlendorf, sondern auch in Prenzlauer Berg oder Mitte, wo viele junge Leute wohnen, eine bürgerlich-pragmatische Klientel, die aber links werteorientiert denkt und die Grünen wählt“, sagt Irmgard Franke-Dreßler, Grünen-Fraktionschefin in Steglitz-Zehlendorf und Mitinitiatorin des ersten schwarz-grünen Bündnisses auf Bezirksebene.

Was für Steglitz-Zehlendorf gilt, gilt noch lange nicht für die Gesamtpartei. „Schwarz-Grün ist auf Landesebene nicht durchsetzbar“, sagt Franke-Dreßler, die im März für den Landesvorstand kandidieren wird. Das sehen die Fraktionschefs Volker Ratzmann und Franziska Eichstädt-Bohlig genauso. „Die Schnittmengen sind zu gering“, sagen beide. Bei den Themen Innere Sicherheit, mehr Demokratie oder Bildung würden die Positionen von CDU und Grünen wie beispielsweise bei Fragen zu Polizeiausstattung oder Einführung von Gemeinschaftsschulen nicht zusammengehen.

Dennoch öffnet sich die Partei vorsichtig Richtung CDU und beobachtet deren Avancen. Selbst der Grünen-Linke Dirk Behrendt findet Pflügers Absage an das Steinkohlekraftwerk „beachtlich“. Auch er habe keine Probleme damit, gemeinsam mit der CDU in ein Boot zu steigen. „Nach Worten müssen Taten folgen“, sagt Ratzmann. „Wir freuen uns schon, gemeinsam mit der CDU in Lederjacken am Bauzaun gegen den Kraftwerkbau zu demonstrieren.“ Die grüne Devise lautet: abwarten, wie sich die CDU entwickelt. „Ein Pflüger macht noch lange keine Partei aus“, so ein Grüner auf dem Parteitag. Eine Zusammenarbeit könne nur punktuell funktionieren. „Unsere Eigenständigkeit zeigt sich nicht an schwarz-grünen Gedankenspielen, sondern daran, ob wir eine kraftvolle Opposition gegen Rot-Rot machen wollen“, sagt die Grünen-Abgeordnete Ramona Pop. Das hat der linke Parteiflügel offenbar auch erkannt: Er war auf dem Parteitag verstummt.

Diese drei Grünen-Politikerinnen sollen in den kommenden Jahren im Berliner Landesverband den Ton angeben.

Franziska Eichstädt- Bohlig. Die grüne Spitzenkandidatin bei der letzten Wahl führt mit Volker Ratzmann die 23-köpfige Fraktion.

Barbara Oesterheld schied nach elf Jahren Parlament 2006 aus dem Abgeordnetenhaus aus. Sie will für den Landesvorsitz kandidieren. Irmgard Franke-Dreßler ist Fraktionschefin in Steglitz-Zehlendorf und dort Mitinitiatorin von Schwarz-Grün. Sie kandidiert auch für die neue Partei-Doppelspitze.

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