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Berlin: Schweizer Botschaft: Ein Bunker mitten im Regierungsviertel

Was er zum Aussehen des neuen Botschaftsanbaus sagt? "Ich bin sehr glücklich über die strategische Lage".

Was er zum Aussehen des neuen Botschaftsanbaus sagt? "Ich bin sehr glücklich über die strategische Lage". Nein, der schweizerische Botschafter Thomas Borer-Fielding will sich zur Architektur nicht äußern, und auch seine Frau Shawne hält sich vornehm zurück. Der Botschafter stellt nur äußerst diplomatisch fest: "Das ist weit vor meiner Zeit beschlossen worden".

Wenigstens die "strategische Lage" im Spreebogen ist bestens: Hier das neue Bundeskanzleramt, dort das ebenfalls fast bezugsfertige Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags im Spreebogen. Und zwischen beiden - wie eine Insel im künftigen bundesdeutschen Machtzentrum - die rotweißbeflaggte Botschaft der Schweizerischen Eidgenossenschaft; sie besteht aus dem bekannten neoklassizistischen Gebäude und eben jenem neuen Anbau, über dessen Äußeres der Botschafter lieber schweigt.

"Bunker", sagen Passanten, die an dem Haus vorbeikommen, andere wollen gar nicht glauben, dass der Neubau überhaupt schon fertig ist. "Wo ist der Putz?", fragen sie, oder auch: "Kommt da noch Stuck ran?" Es gibt Vorbeikommende, die vermissen jegliches Gespür für ein harmonisches Nebeneinander von Alt und Neu, fühlen sich an eine Feuerwache erinnert, zumal die Antenne auf dem Dach so wichtig aussieht. Dass die Schweiz ihrer einstigen Gesandtschaft - dem letzten alten Haus im Spreebogen - einen so kalten Klotz anfügte, der jede Vertrautheit mit dem historischen Gebäude zunichte macht, können viele in der Stadt nicht verstehen. Aber sie sehen auch nur das Äußere, diese nahtlos betonierte und fleckige Fassade; erkennen dabei kaum, dass sie leicht bläulich schimmert, was auf beigefügte Steine aus den Vogesen zurückzuführen ist. Und dass die vier Fensterreihen, die nach Osten auf den den Bundestagsneubau schauen, leicht verschoben sind, merkt auf den ersten Blick auch kein Betrachter.

Das Basler Architektenbüro Diener & Diener, das 1995 den Wettbewerb gewonnen hatte, reagierte auf den Altbau schroff, wollte aber auch im "Dialog" mit ihm bleiben. Das bedeutet einmal, dass sich im alten Haus das historische Palais mit seinen Prunk- und Empfangräumen von einst voll entfalten kann, während im Neubau Kanzlei und Konsulat Platz finden. Roger Diener setzte bei seinem Entwurf eher auf innere Werte, es gibt Höfe mit helleren Fassaden. Hier wurden Bauteile aus demselben Steinbruch in Thüringen bezogen, der auch für den Altbau des Architekten Friedrich Hitzig Material geliefert hatte. So lässt sich eine entfernte Verwandtschaft erahnen und bei gutem Willen können Betrachter einen tieferen Sinn an dem von Helmut Federle entworfenen Fassadenrelief aus Beton entdecken, das dem Altbau westlicherseits angefügt wurde und an Fensteröffnungen erinnern soll. Damit ist zwar die hässliche Brandwand verschwunden, aber nun wirkt das altgewohnte Haus, das jahrzehntelang einsam gelegen Größe bewies, wie von Beton eingeklemmt und kleiner geworden.

Stand die alte Gesandtschaft noch an der Otto-von-Bismarck-Allee, ist sie als Botschaft nun an die kurvige Willy-Brandt-Straße herangewachsen. Noch ist das Haus von Sandbergen und Schlamm umgeben, wie auch das neue Kanzleramt gegenüber, das auch schon mit herber Kritik bedacht wurde. Gestern wirkte es im Vergleich zum grauen Schweizer Neubau-Klotz geradezu licht und freundlich, zumal auch schon etliche Fenster erleuchtet waren.

Der Botschafter wird aber früher als der Kanzler am Ort sein. Der Umzug hat schon begonnen. Mit der offiziellen Eröffnung wollen die Schweizer bis zum Mai warten.

Christian van Lessen

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