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Zeugen einer Sucht. Raucher können auch im Krankenhaus nicht von ihrem Laster lassen. Aber nur draußen dürfen sie sich ihre Zigarette anzünden.

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Schwelender Konflikt: Raucherzimmer in Krankenhäusern

In Kliniken darf nur im Freien gequalmt werden. Jetzt wird über eine Lockerung des Rauchverbots debattiert. Ein Pro & Contra

Manche scheuen für eine Zigarette keine Mühe. Sie laufen mit Infusionsbeutel und Rollator zum Eingangsportal oder nach draußen zum Vorplatz ihres Krankenhauses. Dort stehen sie dann zusammen mit anderen Qualmern, teils mit Mantel überm Pyjama, selbst bei Regen oder Minusgraden im Winter. „Das ist doch menschenunwürdig“, wetterte in der vergangenen Woche der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz. Aus seiner Sicht ist das strikte Rauchverbot in Berlins Kliniken „als fundamentalistischer Versuch der Zwangsentwöhnung an der Realität gescheitert“. Es sei „widersinnig, wenn sich Patienten beim Rauchen im Freien noch eine Lungenentzündung einfangen“. Deshalb spricht sich Jonitz für Raucherzimmer in Krankenhäusern aus. Antiraucher-Aktivisten vom Forum Rauchfrei“ finden das „ganz unmöglich“.

In Berlins Nichtraucherschutzgesetz, das Ende 2007 in Kraft trat, steht deutlich: Außer in der Gastronomie muss die Bevölkerung in Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt werden. Doch während die gesetzlich vorgeschriebene Qualmfreiheit in den meisten Lokalen von immer mehr Menschen begrüßt wird und sich die Raucher mit Raucherzimmern und -kneipen arrangieren, ist das Verbot in den Kliniken offenbar eine unbefriedigende Lösung.

Dies bestätigt die Leiterin der Landesfachstelle für Suchtprävention, Kerstin Jüngling. „Rauchsucht ist eine Krankheit“, sagt sie. Das werde bei der hitzigen Debattte über den Nichtraucherschutz schnell vergessen. Statt die Betroffenen „moralisch zu verurteilen und aktionistisch zu stigmatisieren“, solle man ihnen besser helfen. Dazu gehöre, dass man sie während des Aufenthaltes im Krankenhaus motiviere, mit dem Rauchen aufzuhören – beispielsweise durch Entwöhnungskurse. Ebenso wie der SPD-Gesundheitspolitiker im Abgeordnetenhaus Thomas Isenberg strebt sie eine „vernünftigere Umgebung“ für die rauchenden Patienten und Besucher an. Die Sozialpädagogin und der Sozialdemokrat wollen das Nichtraucherschutzgesetz deshalb nicht ändern. Aber die „Trauben von Rauchern“ vor den Eingängen von Berlins Kliniken haben Isenberg veranlasst, „noch mal einiges zu überdenken“.

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Die Debatte läuft nun auf die Frage zu, ob akzeptable Plätze zum Rauchen in den Klinikgebäuden geschaffen werden sollten oder nur draußen auf deren Gelände. Bevor das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft trat, hatte meist jede Krankenstation ein abgeschlossenes Raucherzimmer. So weit will Ärztekammerchef Jonitz aber „das Rad nicht zurückdrehen“. Es würden ja nur wenige solcher Räume mit einer leistungsstarken Abluftanlage reichen, meint er. Mario Czaja, Gesundheitssprecher der CDU, hält das „für bedenkenswert“. Bei der Landesdrogenbeauftragten Christine Köhler-Azara, stoßen die beiden aber auf Granit. „Berlins Kliniken sollen gesund machen“, sagt sie. Rauchen dagegen mache krank, sei beispielsweise auch ein Hauptrisikofaktor für Blasenkrebs. „Das passt nicht zusammen.“ Außerdem würden Raucherzimmer die nähere Umgebung in jedem Falle mit Nikotindunst belasten.

Auch der Verwaltungsdirektor des Deutschen Herzzentrums, Thomas Köhn, sagt Nein. „Gerade bei unserem Krankheitsspektrum wäre das völlig absurd“, kontert er. Das Herzzentrum war vor zehn Jahren bundesweit die erste Klinik mit einem konsequenten Rauchverbot. „Wir haben es damals eigenständig beschlossen“, erzählt Köhn. Doch angesichts „der Qualmerei“ an den Eingängen und rund ums Gebäude, bemüht er sich jetzt zumindest im Freien um einen „befriedigenderen Kompromiss“. Bislang gibt es – wie vor den meisten anderen Krankenhäusern – nur ungeschützte „Raucherinseln“. Doch vor der kalten Jahreszeit bekommt das Herzzentrum zwei überdachte Raucherplätze mit gläsernen Wänden als Windschutz, aber „deutlicher Distanz“ zum Haus. „Die sehen aus wie BVG-Wartehäuschen“, sagt Köhn.

Im idyllisch gelegenen Krankenhaus Waldfriede in Zehlendorf sieht Geschäftsführer Bernd Quoß die Situation gleichfalls kritisch. „Einen Süchtigen interessieren meine Rauchverbotszettel nicht“, sagt er. „Zum Schluss wird der mir ohne Glimmstengel noch kränker und hängt psychisch durch.“ Auch Waldfriede strebt eine bessere Lösung draußen an – in Kooperation mit dem angeschlossenen Gesundheitszentrum für Präventivmedizin. Es berät jeden, der vom Tabak wegkommen will.

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