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Berlin: Schwerelos im Salztank

Schwebebäder können Stress abbauen und Schmerzen lindern

Die Kunden von Heike Seeger baden am liebsten in geschlossenen Salzwasser-Tanks. Klingt nach einem Horrortripp – „dabei sind die Solebäder nicht nur ungefährlich, sondern auch entspannend“, sagt Seeger. Die Betreiberin des Ladens Float Berlin in Prenzlauer Berg sitzt auf einer schwarzen Ledercouch vor einer Palme, sphärische Klänge tönen aus handtellergroßen Lautsprechern. Die Wände sind erdfarben gestrichen. Nach Horror sieht es hier nicht aus – nur die schwere, nasse Luft wirkt etwas unheimlich. Seeger winkt ab: „Das ist völlig normal, das Badewasser hat nahezu Körpertemperatur. Sonst wird das mit der Entspannung nichts.“

Während Seeger spricht, klettern in den Hinterzimmern zwei Gäste in die muschelförmigen Tanks. „Darin fühlt man sich wie im Toten Meer: ganz schwerelos“, sagt die Unternehmerin. Schon nach kurzer Zeit wisse man nicht mehr, wo der eigene Körper aufhört und die Sole beginnt. Möglich macht es der hohe Salzgehalt im Wasser von bis zu 28 Prozent. Neben den Wohlfühl-Effekten bringt das Floating, wie das Schwebebaden auch genannt wird, noch mehr: Gesund soll es sein, Stress abbauen, Schmerzen lindern – und sogar die Kreativität fördern.

Wer sich über 90 Minuten in die Muschel legt, versinkt in einen Dämmerzustand. Der Kopf schaltet ab, die Muskeln entspannen. „Einige meiner Kunden kommen, um Rückenschmerzen zu kurieren“, sagt Seeger. Obwohl es keine wissenschaftlichen Belege gibt, ist sie von den positiven Wirkungen des Floatings überzeugt: Das Schweben im Wasser lasse den Körper Endorphine, so genannte Glückshormone produzieren. Die beeinflussen Gemütszustand und Schmerzempfinden. Dem amerikanischen Gehirnforscher John C. Lilly zufolge soll Floating sogar das Immunsystem stärken und Bluthochdruck kurieren.

In der Schulmedizin sind die Entspannungstanks jedoch umstritten: Floating gilt vielen Ärzten als esoterischer Humbug. In der Dipura Zahnklinik dagegen steht seit einiger Zeit ein Soletank, in dem sich die Patienten auf die Behandlung vorbereiten können. „Nach dem Floating tut die Betäubungsspritze weniger weh – und die Patienten gehen gelassener in die Behandlung“, sagt Maik Spitzley von der Essener Privatklinik.

Dass sich jemand vor dem Zähnebohren auszieht und in die Plastikmuschel steigt, kommt jedoch selten vor. Heike Seeger vermutet, dass viele Menschen sich nicht trauen. „Fast alle fragen sich vor dem ersten Mal, ob sie in dem Tank nicht Platzangst bekommen“, sagt sie. „Dabei rastet die Klappe nicht ein, sie kann jederzeit geöffnet werden.“ Manche ihrer Kunden fürchten auch, dass sie im Dämmerzustand untergehen und ertrinken könnten. Bei dem hohen Salzgehalt ist das laut Seeger jedoch unmöglich.

Neben allen Ängsten ist vielleicht auch der Preis abschreckend: 90 Euro kostet ein Badegang bei Dipura. Berliner Anbieter wie Float Berlin oder Tranxx in den Schöneberger Akazienhöfen verlangen zwischen 50 und 60 Euro für eineinhalb Stunden Wellness-Programm.

Überzeugte Floater nehmen den Preis in Kauf. „In den 90 Minuten ist man ganz auf sich zurückgeworfen“, berichtet ein Kunde von Float Berlin nach dem Badegang. „Man fühlt sich einerseits wie ein gepöckeltes Stück Fleisch, andererseits nur noch wie ein Gehirn im Weltall.“ Wissenschaft hin oder her: Kreativ macht Floating allemal.

Philipp Eins

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