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Schwimmunterricht: Kreuzberg geht baden

Kinder in armen Kiezen lernen oft nicht schwimmen - trotz Schwimmunterrichts in der dritten Klasse. Die extremen Unterschiede zwischen den Bezirken liegen nicht am Lehrermangel, sagt ein Sprecher der Bildungsverwaltung. Man sehe vielmehr kulturelle und soziale Gründe als Ursache.

Von Sandra Dassler

Jedes vierte Kind aus Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg kann auch nach dem Ende des dritten Schuljahrs nicht schwimmen, in Mitte ist es immer noch jedes fünfte Kind. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage Özcan Mutlus, des bildungspolitischen Sprechers der Grünen im Abgeordnetenhaus, hervor. Mutlu bezeichnet diese Zahlen als alarmierend, weil in Berlin im dritten Schuljahr Schwimmunterricht erteilt wird, der offensichtlich für viele Kinder nicht mit einem Erfolgserlebnis endet.

Noch dramatischer findet Mutlu aber die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken. Denn nach Friedrichshain-Kreuzberg mit 27,3 Prozent, Neukölln mit 26,3 Prozent und Mitte mit 20,8 Prozent Nichtschwimmern folgt lange nichts. Bis auf Spandau (12,8 Prozent) liegen alle anderen Bezirke unter zehn Prozent. Einige sogar deutlich; wie Pankow und Lichtenberg mit je 5,4 Prozent, Steglitz-Zehlendorf mit 6,0 und Reinickendorf mit 6,5 Prozent.

"Solchen exorbitanten Unterschieden muss die Bildungsverwaltung nachgehen", sagt Mutlu: "Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen, sondern muss analysieren, woran es liegt: Fällt der Unterricht aus? Kommen die Kinder nicht? Hat es etwas mit dem hohen Migrantenanteil zu tun? Oder einfach nur damit, dass in den betroffenen Stadtbezirken auch die Armut am größten ist."

Der Schwimmunterricht kann nicht alle Praxis im Wasser ersetzen

Am Lehrermangel liege es jedenfalls nicht, sagt der Sprecher der Bildungsverwaltung, Kenneth Frisse. Auch sei ihm nichts von größeren Ausfällen beim Sportunterricht bekannt: "Es sind wohl tatsächlich in erster Linie soziale und kulturelle Gründe: Der Schwimmunterricht kann nicht alle Praxis im Wasser ersetzen. Neunjährige, die nie zuvor baden waren, haben es schwer, innerhalb eines Jahrs schwimmen zu lernen." Dass viele Kinder vor dem Schwimmunterricht noch nie in einem Freibad waren, liege auch daran, dass Schwimmen gehen in ihrem Kulturkreis nicht gebräuchlich sei. Ein weiterer Grund sei aber sicher auch, dass sich viele Familien den Eintritt ins Bad schlichtweg nicht leisten könnten, sagt Frisse. Einige Schulen versuchten bereits, dem entgegenzuwirken und im Rahmen der Ganztagsbetreuung beispielsweise schon mit Erstklässlern schwimmen zu gehen.

"Bei uns ist das so", sagt Karin Babbe, Leiterin der Erika-Mann-Grundschule in Berlin-Wedding: "Wir haben Vereinbarungen mit der Schwimmhalle, die Kinder freuen sich." Auch Karin Babbe sieht in erster Linie soziale Ursachen für die hohe Nichtschwimmer-Quote: "Das hat weniger mit der Herkunft oder Religion zu tun als mit Bildungsferne", sagt sie: "Die geht ja oft einher mit Bewegungsarmut und Fettleibigkeit. Außerdem sind viele Schwimmbäder geschlossen worden." Dass muslimische Eltern eine Freistellung für ihre Töchter vom Schwimmunterricht verlangen, komme an ihrer Schule fast nicht mehr vor, sagt Karin Babbe.

Eine Lehrerin aus Mitte berichtet hingegen, dass ein türkischer Vater an ihrer Grundschule jetzt Unterschriften gegen das gemeinsame Nacktduschen der kleinen Jungen gesammelt habe. Die dürften sich dabei deshalb nun Dreieckstücher um die Lenden winden.

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