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Berlin: Scientology sitzt nun auch am Ku’damm

Organisation eröffnete Infozentrum in der Meinekestraße. FDP und Grüne fordern mehr Aufklärung an Schulen

Die Organisation Scientology expandiert. Zusätzlich zu ihrer Deutschlandzentrale an der Otto-Suhr-Allee hat die Vereinigung eine Filiale in der Meinekestraße am Kurfürstendamm eröffnet. Eine weitere soll nach Angaben einer Scientology-Sprecherin langfristig folgen. Damit wirbt Scientology in Berlin immer offensiver um neue Mitglieder. Der Senat will die fehlende Verfassungsschutzbeobachtung noch einmal überdenken.

Mittlerweile laden die Scientologen auch direkt auf dem Kurfürstendamm zum kostenlosen „Stresstest“ ein. Am knallroten Infostand an der Ecke Joachimstaler Straße bleiben Mütter mit Kindern stehen, Rentner lassen sich in ein Gespräch verwickeln. In der Meinekestraße das gleiche Bild: „Darf ich Sie einladen?“, fragt eine Frau mit kaum zu überbietender Freundlichkeit vor dem neuen Infozentrum. Schon gibt es einen Zettel in die Hand. Vor einer Woche hat Scientology hier die Filiale eröffnet. Rund ein Jahr lang stand der etwa 120 Quadratmeter große Laden zuvor leer. Die Miete sei ziemlich hoch, sagen Nachbarn.

Scientology jedoch scheint das Geld zu haben. Am Mittwoch lud die Organisation alle Anwohner der Straße zum Sektempfang ein, erzählt eine Ladenbesitzerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie berichtet von einer „aggressiven Ansprechpolitik“. Die Werber würden Passanten förmlich in den Laden hineinziehen. Ein Verkäufer aus einem anderen Geschäft fürchtet deshalb um seine Kundschaft. „Ich finde es erschreckend, dass die sich hier immer weiter ausbreiten.“ Auch Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP, zeigt sich unangenehm überrascht über die Expansion: „Jetzt muss Innensenator Körting aktiv werden.“ Körting habe die Entwicklung seit Januar nicht zutreffend eingeschätzt. Anfang des Jahres hatte Scientology ihre Deutschlandzentrale an der Otto-Suhr-Allee eröffnet. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) lehnte eine erneute Beobachtung durch den Verfassungsschutz jedoch zunächst ab, nachdem bereits im Jahr 2003 entschieden wurde, Scientology nicht mehr mit geheimdienstlichen Mitteln überwachen zu lassen.

Diese Haltung könnte sich bald ändern. „Uns ist ebenfalls bewusst, dass Scientology in Berlin aktiver geworden ist“, sagt eine Sprecherin des Innensenators. Momentan laufe eine Prüfung, ob Scientology wieder unter Beobachtung gestellt wird. Das Ergebnis werde „in den nächsten Wochen“ erwartet. Am 30. Mai will sich der Verfassungsschutzausschuss des Themas annehmen. Für Oliver Schruoffeneger, kirchenpolitischer Sprecher der Grünen, ist das Entscheidende jedoch nicht die Frage der Verfassungsschutzbeobachtung, „sondern die öffentliche Aufklärung“. Projekttage an den Schulen, Informationen auf den Internetseiten des Senats und aktuelle Broschüren suchten Bürger, anders als in anderen Städten, in Berlin vergeblich, kritisiert die Opposition.

Wie eine Scientology-Sprecherin sagte, betreibt die Organisation neben der Zentrale und dem Laden in der Meinekestraße Infostände an zehn Standorten, die meisten davon in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Jörg Oberwittler

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