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Berlin: Scout für klassische Talente Christian Badzura sucht Musikerstars von morgen

Der Schlussakkord hallt noch nach. Die Symphonie von Schostakowitsch klingt aus.

Der Schlussakkord hallt noch nach. Die Symphonie von Schostakowitsch klingt aus. Gut 2000 Besucher in der Philharmonie klatschen begeistert. „Bravo!“, ruft ein älterer Herr in der vorderen Reihe, und wieder: „Bravo!“ Auch Christian Badzura ist beeindruckt: „Wow“, sagt er, „das war großartig.“ Badzura applaudiert weiter und weiter. „So einen Spannungsbogen musst du erst mal hinbekommen“, sagt er. Der Violinist verbeugt sich. Er gilt als großes Talent im Klassikbetrieb.

Christian Badzura ist in geheimer Mission hier. Er ist „Artists und Repertoire Manager“ beim Traditionslabel Deutsche Grammophon. Er akquiriert Künstler für die Traditionsfirma, spürt junge Talente auf. Der 34-Jährige hat Klavier- und Schulmusik in Lübeck studiert. Dann war er neun Jahre in Liverpool im Musikgeschäft tätig, wo er im Rock- und Pop-Bereich arbeitete: „Ich habe Arrangements für Bands und Künstler geschrieben“, sagt er. Im Oktober 2011 kam er nach Berlin. „Ich wollte in die Klassik zurück – und da ist die Grammophon natürlich ein Traum.“ Kurz zuvor kam das Label aus Hamburg nach Berlin zurück. Seither residiert das Label im Gebäude des Mutterkonzerns Universal in Friedrichshain. Im Hintergrund wirken dort Spürnasen wie Badzura, die die neuen Ann-Sophie Mutters oder Lang Langs ausgraben sollen.

Badzuras Blackberry klingelt. „Einen Moment“, sagt er. Er steht am Tresen im Foyer der Philharmonie. Badzura ist ein Zwei-Meter-Hüne, hat blonde, lockige Haare. Eine lange Strähne hängt ihm auf der Stirn. Er beendet das Gespräch. „Man ist natürlich fast immer im Dienst und muss ständig die Augen und Ohren offenhalten“, sagt er, „das ist ein bisschen wie auf dem Transfermarkt beim Fußball.“ Dort nennt man diese Leute „Scouts“.

Badzura kennt den Violinisten, hat sich bereits mit ihm unterhalten – aber noch nichts Geschäftliches. Wenn er einen Musiker scoutet, geht es ihm nicht nur um die musikalischen Fähigkeiten oder ein großes Repertoire. „Mir ist es auch wichtig, wie ein Künstler mit dem Publikum kommuniziert“, sagt Badzura. Bühnenpräsenz muss er haben, den Saal vereinnahmen können. Gut aussehen müsse er nicht unbedingt, aber Charisma haben. Und der Unterschied zum Popbusiness? „Wir denken viel langfristiger“, sagt er. Man plant nicht nur ein Album des Künstlers, man plant eine ganze Karriere.

Ein paar Tage später, in den Büroräumen der Grammophon an der Stralauer Allee: Badzura hört sich durch die Aufnahmen des Violinisten. „Das ist so ein irrsinnig langer Prozess, einen Künstler zu scouten“, sagt er. Bevor er den Künstler seinem sechsköpfigen Team vorstellt, muss er sich sicher sein: Hat er den einzigartigen Stil? Den „Unique Sound“, wie Badzura ihn nennt? Er glaubt schon.

Die eigentliche Arbeit begänne erst dann: „Man führt dann viele Gespräche mit dem Musiker und versucht, ein Programm zu entwickeln.“ Im Popgeschäft hat Badzura danach geguckt, wer die besten Stücke schreibt. Nun überlegt er, wer welchen Komponisten am besten interpretieren kann.

Badzura geht über den Flur der „Grammophon“. Die Wände sind gelb und rot, der Fußboden ist grau gestuft, futuristisch irgendwie. Am Ende des Gangs gibt es ein Komponisten- und Notenarchiv. Wenn Badzura wissen will, wie sein Violinist bestimmte Partituren interpretiert hat, schaut er sich hier die Noten an – oder hört andere Interpretationen.

Er mag den Job: „Das ist genau die richtige Mischung aus Koordination und kreativer Arbeit“, sagt er. Badzura überlegt sich schon, welcher Produzent für seinen Violinisten infrage käme. Und welcher Dirigent, welches Orchester ihn noch weiterbringen könnten. Badzura setzt sich in einen Sessel in der gelben Lounge. Er hofft, dass schon bald ein Vertrag unterschrieben wird. Jens Uthoff

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