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Berlin: Sechs Jahre Grundschule: CDU und FDP ist das zu lang

Neue Studie über Benachteiligung leistungsstarker Schüler nährt alte Kritik Weniger Schulen wollen gemeinsamen Unterricht von Erst- und Zweitklässlern

Die neuen Anhaltspunkte für eine mangelhafte Förderung leistungsfähiger Kinder haben die alte Diskussion über die sechsjährige Grundschule wieder angefacht. CDU und FDP forderten gestern, mehr grundständige Gymnasien ab der 5. Klasse einzurichten. Zudem stimmten sie mit den Grünen darin überein, dass Grundschullehrer besser qualifiziert werden müssten, um den unterschiedlichen Begabungen der Kinder besser gerecht werden zu können.

„Die sechsjährige Grundschule ist kein Selbstzweck. Sie muss alle Schüler fördern – ob sie leistungsschwach oder leistungsstark sind“, forderte CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer. Da das offenbar nicht gelinge, müsse der Senat genügend Plätze in grundständigen Gymnasien zur Verfügung stellen. Zudem sieht Steuer in der aktuellen „Element“-Studie „eine Anklage“ gegen die geplante zehnjährige Gemeinschaftsschule.

Wie am Mittwoch berichtet, ist die „Element“-Studie, für die 4700 Berliner Kinder untersucht wurden, noch nicht publiziert. Ihr Verfasser, Rainer Lehmann, Erziehungswissenschaftler an der Humboldt-Universität, hatte aber im Hinblick auf seine Forschungen öffentlich angezweifelt, dass Hamburg gut beraten ist, ebenfalls eine sechsjährige Grundschule einzurichten. Begründet hatte er die Zweifel damit, dass es den Grundschulen offenbar nicht gelinge, leistungsfähige Kinder genügend zu fördern.

Massive Kritik an der sechsjährigen Grundschule gab es zuletzt vor zehn Jahren. Der damalige Schulsenator Klaus Böger (SPD) ordnete deshalb an, in Deutsch und Mathematik getrennte Leistungsgruppen einzurichten. Damit wollte er erreichen, dass lernstarke Kinder auf der Grundschule verblieben. Mit dem neuen Schulgesetz verschwand Bögers Reformversuch wieder. Fachleute bezweifeln, dass die getrennten Leistungsgruppen damals überhaupt konsequent eingerichtet wurden: Dies sei gar nicht überprüft oder gar ausgewertet worden, heißt es. „Das war nur ein hilfloser Versuch, die sechsjährige Grundschule zu retten“, meint der Schulrat und Sprecher des Bundes Freiheit der Wissenschaft, Gerhard Schmid.

Der Umgang mit sehr unterschiedlichen Niveaus innerhalb einer Lerngruppe stellt offenbar ein generelles Problem dar. Gerade erst hat sich laut Grundschulverband ein Drittel der Grundschulen dagegen ausgesprochen, vom Sommer an die ersten beiden Jahrgänge zu mischen. Sie begründen dies unter anderem mit Vorbehalten gegen zu heterogene Lerngruppen. Die Anhänger des jahrgangsübergreifenden Lernens glauben allerdings, dass sich diese Einschätzung durch eine andere Form der Ausbildung ändern lässt.

Die aber ist kaum in Sicht. Zwar weist Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall darauf hin, dass jetzige Referendare den so- genannten binnendifferenzierten Unterricht besser beherrschten als ihre Vorgänger und damit sehr wohl in der Lage seien, auf die Unterschiedlichkeit der Kinder zu reagieren. Jörg Ramseger, Erziehungswissenschaftler an der Freien Universität, gibt zu bedenken, dass die rot-rote Koalition das Referendariat für Grundschullehrer auf ein Jahr halbiert habe. Er hat deshalb Zweifel, dass das notwendige Handwerkszeug vermittelt werden kann.

Anders als Mieke Senftleben von der FDP warnte der grüne Bildungspolitiker Özcan Mutlu gestern davor, die sechsjährige Grundschule erneut infrage zu stellen. Neben der besseren Qualifizierung der Lehrer forderte er auch eine „personelle Verstärkung“, also mehr Pädagogen. Die Bildungsverwaltung bestritt gestern, dass Lehmanns Studie bereits vollständig vorliege. Deshalb könne sie sich noch nicht zu den Inhalten äußern.

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