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Berlin: SED-Opfer haben es in Brandenburg schwer

Weit geringere Anerkennungsquote als anderenorts

Potsdam – Brandenburg galt lange als „kleine DDR“: Nun sollen erste Konsequenzen aus Versäumnissen im Umgang mit Verfolgten der SED-Diktatur gezogen werden. Nachdem diese jetzt ein Gutachten des Politologen Jörg Siegmund (Universität München) für die Enquete-Kommission des Landtages bestätigt, drängen Grüne, FDP und CDU auf zügige Verbesserungen. Und die Chancen stehen gut, da auch SPD und Linke den Handlungsbedarf sehen. „Die Regierung hat es nun schwarz auf weiß: „Verfolgte der DDR-Diktatur erhielten in Brandenburg 20 Jahre lang zu wenig Gehör“, sagte die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Strukturen und Verfahren, Opfern zu ihrem Recht zu verhelfen, seien „dringend reformbedürftig“, erklärte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel.

Das Siegmund-Gutachten kommt zum Ergebnis, dass es politisch Verfolgte in Brandenburg im Vergleich zu anderen Ost-Ländern schwerer hatten, Wiedergutmachung zu erhalten und gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu finden. Ein Grund sei, dass Brandenburg als einziges Ost-Land nach der Wende keinen Stasi-Beauftragten bestellte, wodurch Beratung und Betreuung dieser Klientel „sehr unbefriedigend“ war. Dies war erst 2009 mit der Wahl der früheren Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe nachgeholt worden. Das Gutachten hält auch den Brandenburger Sonderweg einer Trennung von Rehabilitierungs- und Entschädigungsbehörde – also doppelte Wege für Betroffene – für ungünstig. Andere Länder wie Thüringen haben beides zusammengefasst und bei den Sozialministerien angesiedelt. Und es gibt den auffälligen Befund, dass Brandenburg mit 43,8 Prozent nur auf eine niedrige Anerkennungsquote bei verwaltungsrechtlichen und beruflichen Rehabilitierungsverfahren kommt. In Thüringen sind es laut Gutachten 65,7, in Sachsen-Anhalt 54,5 Prozent.

Die Gründe sind unklar. Vertreter der Innenministeriums verwiesen darauf, dass Brandenburgs Reha-Behörde viele Bodenreform-Fälle bearbeiten musste, die jedoch nach Bundesgesetzen von vornherein abzulehnen waren. Der Wissenschaftler Helmut Müller-Enbergs machte darauf aufmerksam, wie hierzulande schon bürokratische Formalien brüskieren können: Es sei ein „Skandal“, dass die Antrags-Formulare für Entschädigungen an SED-Opfer die „Anträge auf Sozialhilfe“ seien.

Das Gutachten bemängelt auch, dass Brandenburg eigene Möglichkeiten zugunsten von SED-Verfolgten nicht nutzte, während etwa Thüringen Hilfen für Zwangsumgesiedelte oder Sachsen für verfolgte Schüler gewährt. FDP und Grüne regten solche Landesentschädigungen auch für Brandenburg an, etwa für Opfer von Enteignungen an der West-Berliner Grenze. Es gibt neue Konflikte in der Enquete-Kommission. Die Opposition wertet es als Affront, dass die Bestellung des DDR-Dopingexperten Giselher Spitzer als Gutachter von Rot-Rot abgelehnt wurde. thm

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