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Hungrige Dauergucker. Die Jury schlich sich zu später Stunde von Berlinale-Chef

© dpa

Berlin: Sehnsucht nach der Currywurst

Als alles zu Ende war, hatte die Wettbewerbs-Jury genug von der Sterneküche. Nach dem nächtlichen Bärendinner folgte sie einem Berliner After-Party-Ritual.

Der Chef muss ja nicht alles wissen. Kurz vor Mitternacht gab Jurymitglied Andreas Dresen in der Nacht zum Sonntag diskret das Signal zum Aufbruch. Bis dahin hatten die Mitglieder der Berlinale- Jury beim Bärendinner im Spiegelzelt am Gropius-Bau zusammen mit den Preisträgern vegetarische Köstlichkeiten von Sternekoch Matthias Diether genascht, Variationen von der Roten Bete, pochierten Saibling mit roh mariniertem Kürbis und getrocknetem Malzbrot, Steckrübencanneloni. Jetzt aber winkte ein Dessert, auf das die Jury schon seit einer Woche Heißhunger hatte: Auf zu Curry 36! Mit Unschuldsmiene verabschiedete sich Regisseur Wong Kar Wai von Festivalchef Dieter Kosslick. Austausch von Komplimenten und Artigkeiten, dann sagt Kosslick „Good bye Mister President.“ Der Chinese strebte Richtung Ausgang. „Ich ess’ alles außer vegetarisch“, rief der Regierende Bürgermeister der Jury hinterher.

US-Kamerafrau Ellen Kuras im langen schwarzen Paillettenkleid steckte rasch noch einen Zettel mit Wowereits Handynummer ein. „Don’t worry about the future“, sagte sie ihm zum Abschied mit typisch amerikanischer Herzlichkeit. Und nahm damit Bezug auf einen Glückskeks, den Wowereit beim Jurydinner im China-Club geöffnet hatte. Er soll sich keine Sorgen um die Zukunft machen, stand darin, sondern „nur seinem Herzen folgen“.

BMW-Chef Hans-Reiner Schröder, einer der Hauptsponsoren, war zufrieden. Dinners mit Hollywoodstars, Spitzenautogramme im Gästebuch der von ihm betriebenen Golden Bear Lounge, der Erfolg seiner omnipräsenten Flotte, ein gerade absolvierter Fernsehauftritt: Hätte besser nicht laufen können.

So freundliche Urteile sind kostbar. Dass die Sterneköche im Spiegelzelt auf Anweisung des Chefs sich diesmal auf vegetarische Kost konzentrieren mussten, gab durchaus auch Lästerstoff her, dabei ist es ja richtig, dass Spitzenköche noch viel zu oft mit konservativen Produkten wie Gänsestopfleber arbeiten. Aber nicht alles, was richtig ist, ist auch populär.

In der aufgekratzten Stimmung der letzten Nacht fand der Berlinale-Chef dann immerhin noch die Kraft für eine selbstironische Parodie auf den Furor der Kinokritiker, denen die Filme immer zu lustig oder zu ernst, zu finster oder zu seicht sind. Wer viel Lob braucht, darf eben nicht Festivaldirektor werden.

Das Festival ist auch ein Dreiklang aus Kino, Politik und Party. Zwar hielten sich die Partys der Filmverleihe in Grenzen, weil nicht so viele Hollywoodfilme mit ihren großen Budgets im Rennen waren. Aber natürlich gibt es immer mehr Satelliten, die im Umfeld der Berlinale eigene Veranstaltungen machen. Als zum Beispiel die Teilnehmer an der Verleihung des neuen Deutschen Schauspielerpreises vom Renaissance-Theater mit der Berlinale-Flotte zur Aftershow-Party am Ku’damm chauffiert wurden, täuschte der äußere Eindruck, denn das hatte mit dem Festival selbst gar nichts zu tun. Da die gesamte deutsche Film- und Fernsehbranche aber eh vom zweiten Februardonnerstag an „Berlinale“ in Blockbuchstaben in den Terminkalendern stehen hat, versucht man halt, so viele Synergieeffekte zu schaffen wie möglich.

Ob die Berlinale zu groß geworden ist? Wowereit guckte ein bisschen verblüfft und formulierte ein Gesetz, das die Rituale schon enthält: „Berlinale ist Berlinale!“ Was kann daran zu groß sein? Verbessern lässt sich natürlich immer was.

Wie wäre es denn, wenn sich beim nächsten Kulinarischen Kino die Spitzenköche mal der Aufgabe widmeten, Berliner Deftigkeiten auf Starniveau zu bringen? Elisabeth Binder

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