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Berlin: Sein Coup beim Castor-Transport machte ihn über Nacht bekannt

Von Werner Schmidt In seiner Heimat lässt man ihn ungern gehen, doch im Berliner Polizeipräsidium droht dem gestern vom Berliner Abgeordnetenhaus gewählten neuen Polizeipräsidenten Dieter Glietsch ein kühler Empfang: Viele Polizisten hätten lieber Vizepräsident Gerd Neubeck auf dem Chefsessel gesehen und haben kein Verständnis für eine politische Entscheidung, die sich aus ihrer Sicht nur am Parteibuch orientiert. Denn der parteilose frühere Oberstaatsanwalt Neubeck war der SPD-Führungsriege zu konservativ.

Von Werner Schmidt

In seiner Heimat lässt man ihn ungern gehen, doch im Berliner Polizeipräsidium droht dem gestern vom Berliner Abgeordnetenhaus gewählten neuen Polizeipräsidenten Dieter Glietsch ein kühler Empfang: Viele Polizisten hätten lieber Vizepräsident Gerd Neubeck auf dem Chefsessel gesehen und haben kein Verständnis für eine politische Entscheidung, die sich aus ihrer Sicht nur am Parteibuch orientiert. Denn der parteilose frühere Oberstaatsanwalt Neubeck war der SPD-Führungsriege zu konservativ.

Der 55-Jährige Dieter Glietsch ist dagegen Mitglied von SPD und GdP (Gewerkschaft der Polizei). Er gilt als ein Mensch, mit „dem man gut streiten kann - weil man mit ihm in der Sache streiten kann“, sagte Ulrich Kolander. Er weiß es, musste er doch als Vorsitzender des Hauptpersonalrats der Polizei in Nordrhein-Westfalen (NRW) mehr als einmal mit dem ehemals höchsten Polizisten an Rhein und Ruhr verhandeln. Was nicht immer einfach war. Denn Glietsch sei ein „Schachspieler“. Oft genug habe er mögliche Argumente seines Verhandlungspartners vorausgesehen und ihm damit den Wind aus den Segeln genommen, sagte Kolander. „Das war schwierig für uns - aber gleichzeitig auch beeindruckend.“

„Knochenhart, analytisch, konsequent, gradlinig und bis in die Haarspitzen loyal“ sind weitere Eigenschaften, die dem Vater von drei Kindern in seiner Heimat nachgesagt werden. Viel dringt über das Privatleben des am 2. Mai 1947 im hessischen Willingen geborenen Glietsch nicht an die Öffentlichkeit. Wegbegleiter aus Nordrhein-Westfalen berichten, dass er gern italienische Kriminalromane liest, klassische Musik hört und bei gutem Wetter mit seinem Oldtimer-Fiat spazieren fährt.

Sein beruflicher Werdegang liegt weitaus offener zu Tage. 1964 verließ er das Gymnasium vor dem Abitur und ging zur Polizei. Er begann als einfacher Wachtmeister im mittleren Dienst und arbeitete sich mit Bestnoten zum höchsten Polizeibeamten in NRW hoch.

In die Annalen der Behörde ging er durch einen Coup beim umstrittenen Castor-Transport im jahre 1998 ein: Er ließ den Transport mehrere Tage früher und unangekündigt durchs Land rollen - und verblüffte damit nicht nur die seit Wochen wartenden Journalisten, sondern auch tausende Demonstranten und gewalttätigen Atomkraft-Gegner. Einmal mehr war er seinem Ruf als analytischer Schachspieler, der auch vor unorthodoxen Zügen nicht zurückschreckt, gerecht geworden.

Wenn es um Reformen und die Umsetzung schwieriger Prozesse gehe, dann sei er eine Lokomotive, heißt es. Für Ulrich Kolander gilt der neue Mann an der Spitze des Berliner Polizeipräsidiums aber gleichermaßen als „Feuerwehrmann“ für knifflige und problematische Fälle. Er sei ständig bereit gewesen, einzuspringen, wenn sein Minister rief. Wie Glietsch das mit seinem Familienleben vereinbart habe, ist Kolander noch immer ein Rätsel.

Im Personalrat der Polizei in Nordrheinwestfalen jedenfalls hat die Entscheidung Glietschs Bedauern ausgelöst: „Dass er geht, ist ein großer Verlust“.

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