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Berlin: Selbstötungen in den Medien: Nur bei Prominenten wird stets berichtet

Wie Medien über Selbstmorde berichten sollten, ist umstritten. Haben Journalisten die Pflicht, möglichst wenig Tatsachen publik zu machen, um seelisch labile Menschen nicht zur Nachahmung anzustiften?

Wie Medien über Selbstmorde berichten sollten, ist umstritten. Haben Journalisten die Pflicht, möglichst wenig Tatsachen publik zu machen, um seelisch labile Menschen nicht zur Nachahmung anzustiften? Oder gehört es zu ihrer Pflicht, den Bürger über ausnahmslos alle Geschehnisse zu informieren? Wir haben andere Berliner Lokalredaktionen gefragt.

Rüdiger Thunemann, amtierender Lokalchef der Berliner Morgenpost, differenziert: "Wir berichten über Selbstmorde, wenn sie von öffentlichem Interesse sind. Wenn jemand vom Kranzlereck springt und die Straße gesperrt wird, dann verlangt die Informationspflicht von uns, dass wir dem Leser erklären, warum er im Stau stand." Wenn sich allerdings jemand zu Hause aus Kummer umbringe, dann sei das kein Medien-Thema, meint Thunemann.

Das Vorgehen der Bild Berlin-Brandenburg erklärt Lokalchef Claus Frömming so: Von fünf bis sechs Selbstmorden pro Woche habe seine Redaktion Kenntnis. In großem Stil werde aber nur zwei bis drei Mal monatlich berichtet. Vor allem dann, wenn die Selbsttötung in aller Öffentlichkeit stattgefunden habe. "Dann kann man davon ausgehen, dass der Selbstmörder ein Zeichen setzen wollte, und wir dringen nicht in seine Privatsphäre ein." Aber: Bild-Leser erwarten laut Frömming, dass die Schicksale hinter den Nachrichten sichtbar werden. Deshalb steige man in manchen Fall größer ein als andere Zeitungen.

Dass Berichte über Selbsttötungen Nachahmer motivieren, wie einige Studien nachweisen, bezweifelt Sebastian Zabel, Leiter des Lokalressorts der BZ. "Viel mehr Menschen sterben durch Selbstmord als durch Verkehrsunfälle. Möglicherweise hätten einige abgeschreckt werden können durch Artikel, die zeigen, wie trostlos so ein Ende ist." Über prominente Selbstmörder berichtet die BZ laut Zabel immer.

In der Berliner Abendschau des SFB werden "Selbstmorde grundsätzlich nicht gemacht", sagt Redaktionsleiter Peter Laubenthal, es sei denn, sie blieben "im Stadtbild nicht unbemerkt wegen Feuerwehreinsätzen", oder wenn sich ein hochrangiger Politiker das Leben nähme. Aber es sei für eine Fernsehsendung ohnehin schwer, Selbsttötungen zu bebildern.

rcf

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