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Berlin: Senat fordert mehr als 200 Millionen Mark für "nichtkulturbezogene Sonderbelastungen"

Zwischen Senat und Bundesregierung bahnt sich ein neuer Streit um die Finanzierung der "hauptstadtbedingten Sonderbelastungen" an. Aus einem Brief der Senatskanzlei an das Finanzministerium geht hervor, dass das Land Berlin vom Bund über 200 Millionen Mark zusätzliche Hilfe erwartet und diese mit einem verfassungsmäßigen Anspruch begründet.

Zwischen Senat und Bundesregierung bahnt sich ein neuer Streit um die Finanzierung der "hauptstadtbedingten Sonderbelastungen" an. Aus einem Brief der Senatskanzlei an das Finanzministerium geht hervor, dass das Land Berlin vom Bund über 200 Millionen Mark zusätzliche Hilfe erwartet und diese mit einem verfassungsmäßigen Anspruch begründet. Während Anfang April auf "Ministerebene", zwischen Finanzminister Hans Eichel (SPD) und Finanzsenator Peter Kurth (CDU), die Gespräche geführt werden sollen, heißt es in diesem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben, dass der bisherige "Nullansatz für die nichtkulturbezogenen Sonderbelastungen im Entwurf des Bundeshaltes keine Gesprächsgrundlage sein kann". Berlin habe nicht nur dank der einschlägigen Regelungen im Hauptstadtvertrag von 1992 einen "rechtlichen Anspruch" auf eine angemessene Mitfinanzierung sowohl der "Hauptstadtkultur als auch der hauptstadtbedingten Sonderbelastungen", sondern auch einen verfassungsrechtlichen.

Die Sonderbelastungen würden vor allem durch die "besonderen Einrichtungen" des Bundes in Berlin verursacht, und daher bestünde nach Artikel 106 des Grundgesetzes auch ein besonderer verfassungsrechtlicher Anspruch auf Finanzierung durch den Bund. Ein Sprecher des Finanzministeriums unterstrich die Gesprächsbereitschaft seines Hauses, räumte aber ein, dass die "gesamtstaatlichen Investitionen" der Stadt strittig seien. Er kündigte an, dass das Innen- wie auch das Justizministerium beauftragt seien, ein Rechtsgutachten zu erstellen, um die grundrechtliche Position der Senatskanzlei zu prüfen. Ein Ergebnis läge bislang nicht vor.

Neben "unbedingt zu berücksichtigenden Sicherheitskosten" in Höhe von 108 Millionen Mark pro Jahr, macht die Senatskanzlei vor allem Sonderkosten im Bereich "der Gestaltung und Unterhaltung eines repräsentativen Stadtbildes (Denkmalpflege), von Repräsentations-, Protokoll- und Betreuungsaufgaben sowie hauptstadtbezogene Dienstleistungen (u.a. Schule)" geltend. Zwar seien sie nicht immer präzise zuzuordnen und zu berechnen, doch hätten überschlägige Ermittlungen der zuständigen Senatsverwaltungen Beträge von 115 Millionen Mark allein für stadtpflegerische Maßnahmen im Parlaments- und Regierungsviertel (Fassadensanierung von Humboldt-Universität, "Kommode" und Staatsoper) sowie "laufend erhöhte Unterhaltsaufwendungen für Parkanlagen (Lustgarten, Mittelpromenande Unter den Linden, Pariser Platz) über 15 Millionen Mark jährlich ergeben".

Darüber hinaus sind die Sicherheitskosten für Berlin "im Vergleich zur Stadt Bonn, die keine Polizeikosten zu tragen hatte, dramatisch höher". An jährlichen laufenden Kosten werden für den Objektschutz (700 Stellen) 57,6 Millionen Mark aufgelistet, für Personenschutz (150 Stellen) 16,2 Millionen Mark, für Personal auf dem Polizeiabschnitt 35 (Packhof, Parlaments- und Regierungsviertel) 20 Millionen und für Personal in der Feuerwache, deren Neubau der Bund bislang ebenfalls nicht finanzieren will, noch einmal 11 Millionen Mark. Eine gemeinsame Leitstelle von Polizei und Bundesgrenzschutz schlägt mit 7 Millionen Mark zu Buche. Die stark gestiegenen Aufwendungen im Zusammenhang mit Demonstrationen seien von diesen Zahlen noch nicht einmal erfasst, meint die Senatskanzlei. Insgesamt jedenfalls sei Berlin außerstande, diese Aufgaben, zu denen auch die Streckensicherung bei Staatsbesuchen gehöre, ohne entsprechende Hilfe des Bundes zu erfüllen.

Ein Sprecher des Finanzsenators mochte sich über die Höhe der Berliner Forderungen nicht äußern, "um das Verhandlungsklima nicht zu belasten". Er verwies darauf, dass in einer Protokollnotiz zum Hauptstadtfinanzierungsvertrag von 1994 eine Anschlussregelung ab 2000 vereinbart wurde. Bei den Vorgesprächen haben es bislang unterschiedliche Signale gegeben, meinte er, "erst die Gespräche auf Ministerebene sind entscheidend". Dem Vernehmen nach soll Bundeskanzler Schröder sehr zurückhaltend auf die Berliner Forderungen reagiert haben. Die Hauptstadtfunktion sei doch eine Wohltat für Berlin, so Schröder, "warum sollen wir noch für den Zuzug zahlen, wenn wir Bonn schon für den Wegzug bezahlt haben?"

Benedict Mülder

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