zum Hauptinhalt

Berlin: Senat schiebt weniger ab: Tiefster Stand seit 12 Jahren

21 000 Ausländern aber droht weiterhin die Ausweisung – darunter sind viele, die sich integriert haben. Das neue Zuwanderungsgesetz bringt ihnen wenig

Berlin schiebt immer weniger Ausländer ab. Allerdings sind weiterhin 21 000 Menschen in Berlin von der Abschiebung bedroht, von denen viele schon lange hier leben. Inwieweit sie sich integriert haben, Deutsch sprechen, einen deutschen Schulabschluss und Arbeit haben, spielt dabei keine Rolle. Daran wird sich auch mit dem neuen Zuwanderungsgesetz, das seit drei Wochen in Kraft ist, nicht viel ändern.

Vergangenes Jahr schob die Ausländerbehörde 1981 Menschen ab – so wenig wie seit 12 Jahren nicht mehr. Das geht aus den jüngsten Zahlen der Senatsverwaltung für Inneres hervor. Bis 2001 wurden jährlich im Schnitt doppelt so viele Ausländer ausgewiesen, erst danach ging die Zahl deutlich zurück. Allerdings wurden auch 2004 durchschnittlich immer noch fünf Menschen pro Tag abgeschoben – die meisten waren Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) führt den Rückgang der Abschiebungen auf drei Gründe zurück. „Wir haben für Roma, Minderjährige ohne Eltern und Schüler vor dem Schulabschluss Erleichterungen bei den Aufenthaltsbefugnissen geschaffen.“ Dass 2004 besonders wenige ausgewiesen wurden, liege aber „in erster Linie am Wegfall der Aufenthaltsbeschränkungen der EU-Beitrittsländer“, vor allem Polen. Außerdem seien wegen veränderter Visaregelungen weniger Ukrainer nach Berlin eingereist. Ukrainer bildeten jahrelang die größte Gruppe abgeschobener Ausländer. Außerdem haben weniger Menschen Asyl beantragt, bundesweit ist ihre Zahl 2004 um 30 Prozent gesunken im Vergleich zum Vorjahr.

Der Berliner Flüchtlingsrat, ein Zusammenschluss von Flüchtlingsinitiativen, begrüßt den Rückgang der Abschiebungszahlen. Allerdings habe man den Eindruck, dass immer häufiger Ausländer ausgewiesen werden, die seit langem in Berlin sind und sich hier eingelebt haben, sagt der Sprecher des Flüchtlingsrates, Jens-Uwe Thomas.

Die Innenverwaltung zählt momentan knapp 21000 Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, 600 davon akut. Bundesweit leben rund 217000 Menschen in diesem unsicheren Zustand. Viele von ihnen hofften, das neue Zuwanderungsgesetz würde ihnen zu einem gesicherten Aufenthaltsstatus verhelfen – wenn sie nachweisen können, dass sie sich hier integriert haben.

Aber auch nach den neuen Paragraphen interessiert sich höchstens die neu gegründete Berliner Härtefallkommission dafür, ob jemand, der sich seit Jahren von einer Duldung zur nächsten schleppt, in der deutschen Gesellschaft angekommen ist. Die Kommission kann sich aber nur einzelner Schicksale annehmen, und erst dann, wenn alle anderen rechtlichen Wege ausgeschöpft sind. In diesen Einzelfällen kann die Kommission nach dem neuen Recht vorschlagen, dass sie endgültig hier bleiben dürfen.

Für die Mehrheit der jetzt Geduldeten ändert sich aber nicht viel. Statt einer weiteren Duldung werden sie eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, befristet auf sechs Monate. Die Bezeichnung ist damit eine andere, an dem rechtlosen Status ändert sich aber nichts, was die Motivation, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, nicht gerade erhöhen wird. Zum Beispiel dürfen sie auch künftig nur dann eine Arbeit annehmen, wenn es keinen geeigneten Deutschen oder EU-Bürger für die Stelle gibt. Nach vier Jahren wird diese Einschränkung aufgehoben, nach frühestens sieben Jahren können sich Menschen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis Hoffnung auf einen gesicherten Status machen – immer vorausgesetzt, die Gründe, weshalb der Betroffene nicht abgeschoben werden kann, bestehen weiter. Die Hürden für den sicheren Status sind aber selbst nach sieben Jahren noch hoch: Man muss mindestens fünf Jahre gearbeitet und in die Sozialversicherungen eingezahlt haben.

Eine so genannte Altfallregelung, wie sie viele Flüchtlingsorganisationen während der Erarbeitung des neuen Gesetzes gefordert hatten, gibt es nicht, etwa einen Beschluss, dass die jetzt noch rund 6000 in Berlin lebenden Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien hier bleiben dürfen. Und in Zukunft könnte es eine solche Regelung nur geben, wenn sich die Innenministerkonferenz einstimmig darauf einigen würde. Innensenator Körting will sich dafür beim nächsten Treffen mit seinen Kollegen aus den anderen Ländern im Frühjahr einsetzen, wie er es auch schon in der Vergangenheit getan hat. Durchsetzen konnte er sich bislang nicht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false