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Berlin: Senat trifft Entscheidung - Pädagogen protestieren gegen Pflichtstundenerhöhung - liegen Reformen auf Eis?

Erwartungsgemäß auf Zustimmung ist gestern im Senat das Vorhaben gestoßen, Berlins Lehrer eine Stunde zusätzlich unterrichten zu lassen. Damit ist für Schulsenator Klaus Böger (SPD) der Weg frei, seinen Sparbeitrag zum Haushalt 2000 intern umzusetzen.

Erwartungsgemäß auf Zustimmung ist gestern im Senat das Vorhaben gestoßen, Berlins Lehrer eine Stunde zusätzlich unterrichten zu lassen. Damit ist für Schulsenator Klaus Böger (SPD) der Weg frei, seinen Sparbeitrag zum Haushalt 2000 intern umzusetzen. In der Lehrerschaft formiert sich unterdessen Widerstand gegen die "reformfeindlichen Pläne" und gegen Bögers Argumentation, Berlin müsse seine "Ausstattungsvorsprünge" gegenüber Hamburg abbauen. Kritisiert wird auch, dass es weiterhin bei der fächerbedingten ungerechten Arbeitsverteilung in den Kollegien bleibt.

"Der Vergleich der Pflichtstunden in Berlin und Hamburg führt in die Irre", sagte gestern GEW-Chef Ulrich Thöne. Er verwies auf eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, wonach 1997 in Berlin 14,6 Schüler auf einen Lehrer kamen, in Hamburg aber nur 13,9. Zudem unterrichteten dort die Lehrer im Schnitt 19,9 Stunden, in Berlin aber 21,6 Stunden, was darauf zurückzuführen sei, dass die Hamburger für anderweitige Aufgaben mehr Ermäßigungsstunden anrechnen lassen könnten. Auch die Ausgaben pro Schüler waren in der Hansestadt wesentlich höher: 12 600 Mark gegenüber 10 100 an der Spree. Zudem würden die Berliner Lehrer im Schnitt schlechter besoldet und 60 Prozent der Beförderugsstellen seien nicht besetzt.

Laut CDU-Schulpolitiker Stefan Schlede versucht die Senatsschulverwaltung zur Zeit, aktuelle Daten zum Ländervergleich mit Hamburg zu erheben. Falls sich bestätige, was das IW für 1997 nachwies, sieht Schlede aber noch keinen Grund, die Stundenerhöhung für Berlins Lehrer zurückzunehmen: Schließlich sei Berlins Haushaltslage viel schwieriger als die Hamburgs.

Berlins Lehrer finden, dass sie bereits einen ausreichenden Sparbeitrag geleistet haben, indem sie vor zwei Jahren das Modell der Arbeitszeitkonten akzeptierten und damit Arbeitszeit "vorschießen". "Es ist ein Vertrauensmissbrauch, die Arbeitszeit nochmals zu erhöhen", findet etwa Klaus Kortstock vom Steglitzer Willi-Graf-Gymnasium. In seinem Kollegium wurden gestern Unterschriften gegen Bögers Vorhaben gesammelt. Die Stimmung sei "schlecht". Dies bestätigte auch Lutz Seele, Leiter des Marzahner Otto-Nagel-Gymnasiums. Er ist sicher, dass der Krankenstand angesichts der zusätzlichen Belastung steigen wird.

Enttäuscht sind die Lehrer aber auch darüber, dass angesichts der zusätzlichen Belastung Kraft für geplante Reformen verloren geht, wie etwa die Einführung von festen Präsenzzeiten, Jahresarbeits- und Teamarbeitsmodellen. "Daran wird jetzt keiner mehr mitarbeiten", vermutet Thöne.

Ähnlich sieht es aus mit den Bestrebungen, mehr Arbeitszeitgerechtigkeit unter den Unterrichtsfächern zu schaffen. Seit Jahren schwelt in den Kollegien der Streit, weil Lehrer mit arbeitsintensiven Korrekturfächern wie Deutsch, Englisch, Französisch und Politischer Weltkunde die gleiche Pflichtstundenzahl unterrichten müssen wie die Kollegen mit Fächern, wo kaum Klausuren anfallen. Peter Klepper von der Askanischen Oberschule in Tempelhof forderte jetzt in einem Brief an den Schulsenator, dass Lehrer mit arbeitsintensiven Fächern von der Pflichtstundenerhöhung ausgenommen werden.

Laut GEW und Verband Bildung und Erziehung (VBE) ist es kaum möglich, einen Ausgleich unter den Fächern zu schaffen. Schulpolitiker Schlede erinnerte allerdings daran, dass im Koalitionsvertrag die Herstellung der "Arbeitszeitgerechtigkeit" als Auftrag formuliert sei.Das Thema "Arbeitszeitgerechtigkeit" im Internet unter www.meinberlin.de/forum

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