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Berlin: Senat zieht die Notbremse: Tempodrom soll verkauft werden

Defizitäre Einrichtung am Anhalter Bahnhof bekommt aber zuvor noch einen Zuschuss von 900 000 Euro

Der Senat will das Tempodrom verkaufen. Die defizitäre Veranstaltungsarena am Anhalter Bahnhof in Kreuzberg könne „nicht dauerhaft vom Land finanziell unterstützt werden“, sagte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) am Dienstag. Die Käufersuche soll bis Ende März dauern und der Vertrag bis Ende Mai abgeschlossen sein. Gleichzeitig beschloss der Senat „letztmalig“ einen Zuschuss von 900 000 Euro. So soll die Insolvenz vermieden werden, bei der eine Landesbürgschaft von 10,3 Millionen Euro fällig würde. Findet sich kein Käufer, bleibt laut Sarrazin aber nur die Insolvenz. Dann werde „die Reißleine gezogen“.

Tempodrom-Gründerin Irene Moessinger kritisierte die Pläne als „kulturpolitisch falsch“. Es bestehe die Gefahr, dass „jemand das Tempodrom zweckentfremdet“. Die Betreiber würden ein stark verändertes Konzept aber nicht umsetzen. Bereits vor wenigen Tagen hatten die Pächter betont, dass man die zwei Veranstaltungs-Arenen „nicht an Erotikmessen vermieten“ werde.

Irene Moessinger bestritt die Senatsansicht, wonach die Ende 2001 eröffnete Spielstätte eine private Stiftung ist. Vielmehr sei das Ziel immer die öffentliche Trägerschaft gewesen. Außerdem beklagte Moessinger fehlende Subventionen für den Spielbetrieb. Der Kabarettist Arnulf Rating, der am Programm mitwirkt und früher dem Stiftungsrat angehörte, sprach von einem „Armutszeugnis der Bundes- und Landespolitik“. Der Neubau am Anhalter Bahnhof sei ja erst nötig geworden, weil das alte Zelt in Tiergarten angeblich den Bau des Kanzleramts gestört hätte. Moessinger und Rating betonten, die Probleme seien allein durch die „immens angestiegenen Baukosten“ entstanden. Der Neubau war mit 30 Millionen Euro doppelt so teuer wie geplant.

Einen Verkaufspreis nannte Finanzsenator Sarrazin nicht. Der Stiftungsrat will rund fünf Millionen Euro erzielen, wie der stellvertretende Vorsitzende Ulrich Klopsch sagte. Man müsse die geringe Rendite berücksichtigen, die ein Investor erwarten könne. Eine „realistische“ Chance sei der Verkauf an den Betreiber des Liquidroms-Bads im Hause. Der Pächter Klaus Dieter Böhm, dem auch eine Therme in Thüringen gehört, hat bisher nur 2,5 Millionen Euro geboten. Böhm „muss noch nachlegen“, sagte Klopsch. Der Badbetreiber bekräftigte sein Interesse. Statt über Geld müsse man aber zunächst „über das Konzept reden“. Er wolle das bewährte Programm fortführen und das Tempodrom zum „Berliner Centre Pompidou“ machen. Mit Subventionen sei auf Jahre hinaus nicht zu rechnen: „Das ist politisch verbrannt.“ Daher seien außer dem Kaufpreis auch Investitionen in den Spielbetrieb nötig. Böhm denkt an eine Neugründung der Stiftung, zumal dies die Suche nach Sponsoren erleichtern könne. In die Stiftung würde er auch Goethes altes Gartenhaus in Weimar einbringen, das ihm bereits gehört

Der neue „Übergangszuschuss“ des Senats bleibt wohl nicht die letzte finanzielle Belastung des Landesetats. Die 900 000 Euro reichen nur, um offene Rechnungen von Baufirmen zu begleichen. Genau genommen sind die Forderungen sogar doppelt so hoch. Allerdings haben die Gläubiger laut Stiftungsratsmitglied Klopsch zugesagt, auf die Hälfte der Beträge zu verzichten. Darüber hinaus befürchtet Klopsch Millionenverluste: Ein Teil der Landesbürgschaft werde auch beim Verkauf fällig, und die Landesbank könne nicht mit der vollständigen Rückzahlung ihrer Kredite rechnen.

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