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Sie reden miteinander. Und übereinander. Finanzsenator Nußbaum (links) und Justizsenator Heilmann.

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Update

Senator Heilmann gegen Senator Nußbaum: „Das ist fürchterlich für die Koalition“

Der Streit ums Berliner Gasnetz droht zu eskalieren. Justizsenator Heilmann geht juristisch gegen Nußbaum vor, der will die Unterlassungserklärung ignorieren - und in der Koalition ist man entsetzt über diesen Zweikampf.

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So etwas hat es in der Berliner Landesregierung noch nicht gegeben. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) versucht, mit einer Unterlassungserklärung Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) daran zu hindern, kritische Äußerungen über Heilmann zu wiederholen. „Wir haben das Schreiben des Anwalts von Herrn Heilmann am Dienstagmittag bekommen“, sagte Nußbaum dem Tagesspiegel am Mittwoch. „Ich werde in Absprache mit dem Regierenden Bürgermeister darauf nicht reagieren. Konflikte im Senat werden nicht über Anwälte gelöst.“

Dass die Stimmung in der rot-schwarzen Koalition derart dem Tiefpunkt angekommen ist, liegt am Streit zwischen SPD und CDU um die Vergabe der Gasnetzkonzession an das landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“. In der Senatssitzung am Dienstag gerieten sich Finanzsenator Nußbaum und Justizsenator Heilmann darüber in die Haare. Dem Vernehmen nach fragte Nußbaum den Kollegen, was er mit der Firma Ampere AG, an der Heilmann beteiligt ist, für das Unternehmen Eon getan habe. Zum Hintergrund: Der Konzern Eon ist Miteigentümer der Gasag, die sich auch für die Gaskonzession beworben hatte, aber unterlegen ist. Außerdem fragte der Finanzsenator, so verlautete aus dem Senat, nach sonstigen Kontakten Heilmanns zur Gasag.

Nußbaum unterstellt Heilmann "mögliches Befangenheitsgefühl"

Nach der Senatssitzung wollte sich Nußbaum zu dem Streit nicht näher äußern. Kabinettssitzungen seien vertraulich. Die Vergabe des Gasnetzes sei aber ein „streng rechtsförmliches Verfahren“, dass müsse jedem klar sein, der sich daran beteilige. Das gelte auch für Senatsmitglieder. Der Senat nahm am Dienstag die Vorlage Nußbaums für die Vergabe der Gaskonzession an das landeseigene Unternehmen „Berlin Energie“ zustimmend zur Kenntnis. Der Justizsenator nahm an der Abstimmung nicht teil. Nußbaum sprach daraufhin nach der Kabinettssitzung von einem „möglichen Befangenheitsgefühl“ des Kollegen.

Der Justizsenator nannte die öffentlich gewordenen Vorwürfe „absurd“. Zum Verlauf der Beratung im Senat wollte er nichts sagen, aber er wies den Verdacht, Senatsunterlagen zur Gasnetzvergabe an den Mitbewerber Gasag vermittelt zu haben, strikt zurück. „Ich habe nichts weitergegeben und auch keinen Kontakt zur Gasag gehabt.“ An der Ampere AG, die Heilmann 1998 mitgegründet hatte, sei er nur als Minderheitsgesellschafter beteiligt und sitze dort, seitdem er Justizsenator sei, auch nicht mehr im Aufsichtsrat. Zweck der Firma sei die Bündelung des Energieeinkaufs für mittelständische Unternehmen. „Von den Gasnetzen ist die Ampere AG weit weg“, sagte Heilmann. Es gebe auch keine besonderen Verbindungen zu großen Energiekonzernen, auch nicht zum Gasag-Gesellschafter Eon. 2003 habe Ampere sogar gegen Eon geklagt und im Ergebnis sei ein Miteigentümer, die Stadtwerke Hannover, zu Eon abgewandert, berichtete Heilmann.

Angespannte Stimmung in der Koalition

In der CDU provozierte die Unterlassungserklärung Heilmanns an Nußbaum am Mittwoch entgeisterte Reaktionen. „Eine Katastrophe“, hieß es in der CDU-Fraktion. Man verfolge das Agieren der Senatoren „entsetzt und fassungslos“, der Streit erinnere an einen Kindergarten. Die CDU-Kritik beschränkt sich dabei nicht auf den von der SPD gestellten Finanzsenator. Heilmanns offenbar nicht mit der CDU abgestimmte Unterlassungserklärung sei „fürchterlich für die Koalition“. Nun fragt man sich in der CDU, wie der eigentlich als Kommunikationsprofi geltende Heilmann sich zu diesem Schritt hinreißen lassen konnte. „Nur weil die Sozis schmutzig spielen, muss man doch nicht so zurückschlagen“, heißt es in der CDU-Fraktion. Eine existenzielle Krise für das rot-schwarze Bündnis will man in der CDU-Fraktion darin aber noch nicht sehen. „Wenn einem im Alleingang die Pferde durchgehen, steht noch keine Koalition auf dem Spiel.“ Nun müssten der Regierende Bürgermeister und auch CDU-Chef Frank Henkel die Streithähne einbestellen und zur Deeskalation der Lage beitragen, erwartet man bei der CDU.

Andere CDU-Abgeordnete sehen den Streit der beiden Senatoren hingegen „relativ entspannt“, wie ein Fraktionsmitglied sagt. „Das wird sich schon wieder einrenken.“ Zu früheren Zeiten unter Eberhard Diepgen habe es derartige Konflikte in der Koalition viel öfter gegeben. „Das ist ein reinigendes Gewitter.“ Wo „zwei Alpha-Tiere“ aufeinandertreffen, so ein CDU-Mann, da gebe es eben auch mal derartige Ausfälle. Die Verantwortung dafür liege aber beim Finanzsenator: „Der hätte seine Kritik an Heilmann nicht in den Senat hineintragen und öffentlich machen sollen, sondern das vorher mit ihm besprechen sollen.“

Nun könnte Heilmann gegen Nußbaum klagen

Mit einer Unterlassungserklärung soll erreicht werden, dass ein rechtswidriges Verhalten nicht wiederholt wird. Ein solches Verhalten kann viele Erscheinungsformen haben. Es kann zum Beispiel eine rufschädigende oder ehrabschneidende Behauptung sein. Der Störer wird dann abgemahnt. Der Abmahnung liegt in der Regel gleich die Erklärung bei, die er abgeben soll, sowie die Anwaltsrechnung. Außerdem ist meist eine Vertragsstrafe vorgesehen, die gezahlt werden muss, falls die Behauptung doch wiederholt wird.

Im Streit zwischen Nußbaum und Heilmann könnte das schädliche Verhalten die mitschwingende Unterstellung gewesen sein, Heilmann sei nicht objektiv, da er sich in wirtschaftlicher Verstrickung mit der Gasag befinde. Allerdings hatte Nußbaum den Berichten zufolge diese Behauptung so nicht aufgestellt, sondern sie in eine Frage gekleidet. Hier wäre dann abzugrenzen, inwieweit hier trotzdem eine ehrabschneidende Behauptung gegeben ist. Hinzu kommt: Wenn es sich um Meinungsäußerung oder um eine wahre Tatsachenbehauptung handelt, so ist kein Anspruch auf Unterlassung gegeben - denn das wäre erlaubtes und kein rechtswidriges Verhalten. Da Nußbaum am Mittwoch ankündigte, auf die Abmahnung nicht zu reagieren, könnte Heilmann nun eine einstweilige Verfügung beantragen, er könnte klagen - oder die Sache auf sich beruhen lassen.

Im Senat ging es am Dienstag aber nicht nur um Schlagabtausch zwischen zwei besonders profilierten Regierungsmitgliedern, sondern um die Koalition in Berlin. Teilnehmer der Sitzung sprachen von einer „sehr angespannten Stimmung“. Anschließend machte der CDU-Fraktionschef Florian Graf deutlich, dass aus Sicht der Union „eine Zustimmung des Senats zur Vergabe der Gasnetz-Konzession nicht stattgefunden hat“. Die Verantwortung für die umstrittene Vergabeentscheidung liege nach wie vor beim Finanzsenator als zuständiger Vergabestelle des Landes Berlin.

Das bestätigte Nußbaum auch. Dem Vernehmen nach wurde seine Vorlage zur Gasnetzvergabe nach einem Vier-Augen-Vorgespräch zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) geändert. Im Ergebnis machte sich der Senat die Vergabeentscheidung Nußbaums nicht durch einen Beschluss zueigen, sondern nahm das strittige Votum nur zur Kenntnis. Mit diesem Kompromiss wird der Koalitionsstreit ans Landesparlament und an die Gerichte delegiert. Außerdem bleibt, sollte dem Land Berlin durch die Vergabe ein Schaden entstehen, der Finanzsenator als Vergabestelle allein haftbar.

Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen

Das Abgeordnetenhaus wird sich mit dem Konzessionsvertrag erst nach der Sommerpause befassen. Dann werde die CDU-Fraktion ihr parlamentarisches Kontrollrecht „umfassend wahrnehmen“, sagte Graf. Zum Verfahren und dessen Rechtmäßigkeit seien „viele Fragen zu beantworten“. Der CDU-Politiker kündigte eine „intensive sachliche und rechtliche Prüfung“ des Vertrages an. Dabei könne das Parlament auch auf die Expertise von Sachverständigen, etwa des Bundeskartellamtes zurückgreifen.

Zusätzlich muss sich Finanzsenator Nußbaum mit der Klage der unterlegenen Gasag gegen seine Vergabeentscheidung auseinandersetzen. Der Konzern hat beim Landgericht Berlin eine Feststellungsklage „auf Abschluss des Konzessionsvertrages“ mit der Gasag-Netztochter NBB eingereicht. Hilfsweise wird auf Unterlassung der Vergabe an die landeseigene „Berlin Energie“ geklagt. Nach der endgültigen Entscheidung des Landes Berlin zur Konzessionsvergabe an „Berlin Energie“ will die Gasag bei Gericht vorläufigen Rechtsschutz beantragen. Eine solche einstweilige Verfügung hätte aufschiebende Wirkung. Sollte das Verfahren bis zum Bundesgerichtshof gehen, ist mit einer Prozessdauer von einigen Jahren zu rechnen.

Bis dahin wäre die Gasag berechtigt, das Gasnetz weiterzubetreiben und müsste ab 2015 auch keine Konzessionsabgabe (rund sieben Millionen Euro jährlich) mehr in die Landeskasse zahlen. Jedenfalls nicht in voller Höhe. Nußbaum bestätigte die aufschiebende Wirkung der gerichtlichen Auseinandersetzung. „Ich gehe davon aus, dass das bisher von der Gasag betriebene Gasnetz erst nach Klärung aller rechtlichen Fragen herausgegeben wird.“ Er halte es auch für völlig normal, dass eine eine so wichtige Vergabeentscheidung juristisch angegriffen werde. Zumal es sich nicht um eine politische Frage handele, sondern um ein streng geregeltes Verfahren. Von der Expertise des ehemaligen Verfassungsgerichts-Präsidenten Helge Sodan im Auftrag der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), in dem rechtliche Bedenken gegen die Vergabe an „Berlin Energie“ geäußert werden, hält Nußbaum wenig. Offenbar sei es auf Grundlage von Zeitungsberichten entstanden und demnach ein „Second-Hand-Gutachten mit dem Verfallsdatum vorgestern“.

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