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Flüchtlinge aus Afghanistan warten am am Landesamt für Gesundheit und Soziales auf die Kleiderausgabe der Hilfsorganisation "Moabit hilft".

© dpa

Senatskanzlei in Berlin: Flüchtlingshilfe unerwünscht

Der Verwaltungsexperte und frühere Spitzenbeamte Hartmut Bäumer schimpft über Berlins Bürokratie – und hat ein paar Vorschläge zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Hartmut Bäumer ist wütend. Der erfahrene Verwaltungsexperte, zuletzt Amtschef im baden-württembergischen Verkehrsministerium, hatte dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) seine Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise angeboten. Es folgte ein freundliches Telefongespräch mit dem für Flüchtlingsfragen zuständigen Staatssekretär Dieter Glietsch, aber das war es auch schon. Eine anschließende Mail an die Senatskanzlei blieb ohne Antwort.

„Ich weiß, wie schwer es gerade in einem Stadtstaat ist, massenhaft Flüchtlinge unterzubringen“, sagte Bäumer dem Tagesspiegel. Er hat in den neunziger Jahren, als eine halbe Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen, als Regierungspräsident in Gießen viele Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt. Jetzt empfindet er „das Fehlen jeder neuen Idee in den Senatsverwaltungen und deren Spitzen als bedrückend“. Vieles sei möglich, wenn man nur wollte. Der ehemalige Anwalt und Richter saß in Nordrhein-Westfalen und in Berlin in Enquetekommissionen zur Reform von Politik und Verwaltung, jetzt engagiert sich der – vor einem Jahr pensionierte – Beamte in der Stiftung „Zukunft Berlin“ und im Aufsichtsrat der Heinrich-Böll-Stiftung.

Schweigen im Walde

Zu tun hat er also genug. „Ich dränge mich nicht auf.“ Aber er würde seine Erfahrungen und sein Wissen gern unentgeltlich zur Verfügung stellen, schrieb er nach dem kurzem Gespräch mit Müller und einem folgenlosen Telefonat mit Glietsch Ende November in einer Mail an den Referenten des Regierungschefs, Robert Drewnicki. Die Reaktion war – Schweigen im Walde.

Die Berliner Flüchtlingsbürokratie konnte Bäumer auch persönlich erleben. Er bot nämlich eine 45 Quadratmeter große Einliegerwohnung an, in der ein Ehepaar gut unterkommen könnte. Doch das wurde behördlich nicht genehmigt, die Wohnung sei zu klein. Bäumer durfte immerhin einen alleinstehenden Syrer beherbergen, „aber das Kopfschütteln bleibt“, schrieb er in seiner Mail. Vor 20Jahren habe sein Vater in Nordrhein- Westfalen problemlos eine fünfköpfige bosnische Familie in einer 50 Quadratmeter großen Wohnung unterbringen dürfen.

Kritik an dem Massenunterbringungen

Was ihn besonders schmerze, so Bäumer, der in jungen Jahren für die Grünen im bayerischen Landtag saß, sei die Erkenntnis, „dass ein erzkonservatives Land wie Bayern mit dem großen Flüchtlingsansturm trotz eines Herrn Seehofer so viel besser zurechtkommt als Berlin“.

Vor allem kritisiert er die Massenunterbringung tausender hilfsbedürftiger Menschen, beispielsweise im Tempelhofer Flughafengebäude. „Ich habe das selbst alles in den neunziger Jahren mit der Belegung von Kasernen mitgemacht.“ Gewalttätigkeit und Kriminalität seien programmiert, das sei doch nur Wasser auf die Mühlen fremdenfeindlicher Organisationen. Heftige Kritik übt der Verwaltungsfachmann auch am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), in dem es „wenig Fortschritt, aber um so mehr Frust gibt“.

Die Flüchtlingskrise in Berlin ist für Bäumer auch ein Symptom der überforderten, versagenden öffentlichen Verwaltung. Inzwischen bekomme er Post von Verwandten und Freunden aus Frankreich, Großbritannien und den USA, die ihn fragten, was denn in Berlin überhaupt noch funktioniere? „Es ist zum Weglaufen.“

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