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Eine Firma in Neuruppin bietet modulare Unterkünfte für Flüchtlinge an. Aber es gibt viele Firmen und die Aufträge in Berlin werden europaweit ausgeschrieben.

© dpa

Senatsprogramm für Flüchtlinge beschlossen: Immobilien gesucht und BVG-Tickets für alle

Der Senat hofft, dass Privateigentümer und Kirchen Grundstücke für neue Flüchtlingsunterkünfte bereitstellen. Alle Flüchtlinge bekommen BVG-Ticket.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat hofft, dass private Grundstückseigentümer und Kirchen bereit sind, der öffentlichen Hand Immobilien für den Bau von Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung zu stellen. „Jedes Angebot ist uns herzlich willkommen“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen am Dienstag nach der Senatssitzung. Auch Gewerbegrundstücke würden gesucht. Bei Kirchengemeinden, die über freie Flächen verfügten, könne er sich auch eine Übernahme in Erbpacht vorstellen.

Eine senatsinterne Arbeitsgruppe sucht, mit Unterstützung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, 60 Standorte für Wohn- und Gemeinschaftsunterkünfte in modularer Bauweise, in denen insgesamt 24 000 Flüchtlinge untergebracht werden können. In erster Linie werden das öffentliche Grundstücke sein, aber die Wohnungsnot drückt und die Aufträge für sämtliche Modularbauten, die drei- bis fünfgeschossig ausgelegt sind, sollen bis zum Jahresende von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgeschrieben werden. Dafür stehen 612 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Bauzeit für jeden Wohnkomplex betrage etwa ein halbes Jahr, sagte Kollatz-Ahnen. „Wenn’s gut läuft, steht ein Teil der 24 000 Wohnplätze ab Mai oder Juni 2016 zur Verfügung.“ Die letzten Unterkünfte würden voraussichtlich 2017 fertig, an ein weiteres Bauprogramm dieser Art sei nicht gedacht. Die Standorte für die Flüchtlingsunterkünfte sollen quer über die gesamte Stadt verteilt werden, eine Ghettobildung will der Senat vermeiden. „Dass es im einen oder anderen Fall zu öffentlichen Diskussionen kommen wird, damit rechnet der Senat natürlich“, sagte der Finanzsenator.

Gut die Hälfte der Unterkünfte soll die landeseigene Berlinovo bauen. Die dafür nötigen 344 Millionen Euro finanziert sie selbst. Weitere 140 Millionen Euro stellt der Senat aus dem „Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt“ zur Verfügung, das sich aus Haushaltsüberschüssen speist. Der Rest stammt aus Bundes- und Landesmitteln, auch die Wasserbetriebe steuern einige Millionen bei.

Rechnet man alles zusammen, beschloss der Senat ein 1,8-Milliarden-Paket für die nächsten beiden Jahre. Denn neben den Kosten für den Wohnungsbau fallen 2016/17 jeweils 600 Millionen Euro für Sozialleistungen an Asylbewerber und ein „Integrationspaket“ des Senats an. Außerdem stehen 25 Millionen Euro jährlich für 500 neue Stellen zur Verfügung. Es müsse dafür aber nirgendwo gespart werden, versicherte Kollatz-Ahnen. Es werde auch keine neue Verschuldung geben. Dieser „magic trick“ sei möglich, weil sich Bund und Länder im September auf ein großes Asyl- und Flüchtlingspaket geeinigt hätten, das Berlin im kommenden Jahr zusätzlich 172,5 Millionen Euro und 2017 weitere 204 Millionen Euro aus Bundesmitteln zufließen lässt. Voraussetzung dafür, dass alles gut wird, ist die Prognose von 50 000 Hilfe suchenden Menschen, die jährlich in Berlin zu versorgen sind. Sollte sich die Zahl der Flüchtlinge weiter nach oben entwickeln, so Kollatz-Ahnen, „werden wir neu rechnen müssen“. Aber die derzeitigen Schätzungen seien vernünftig.

Alle Flüchtlinge erhalten übrigens in den nächsten Tagen von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ein Ticket für die AB-Zone. Vergleichbar mit dem Semesterticket für Studierende. Der Gegenwert von 26 Euro monatlich wird vom persönlichen Taschengeld abgezogen, das jeder Flüchtling erhält. Der Senat wolle so „rechtsfreie Räume vermeiden“, sagte Kollatz-Ahnen. Das heißt konkret: Kontrolleure sollen kein Auge mehr zudrücken müssen. Und jene Berliner, die sich in diesen Tagen als Flüchtlinge ausgeben, um gratis mit der BVG zu fahren, müssen sich was Neues ausdenken.

Meinung, Seite 8

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