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SERIE BERLINER Chronik: 20. August 1961 Jahre Mauerbau

Eine Woche nach dem Mauerbau: Die US-Armee rollt mit Panzern in Spandau ein, der US-Vizepräsident geht bei KPM einkaufen – ganz allein am Sonntagabend. Die Flucht von DDR-Bürgern in Dänemark scheitert

Eine Woche nach dem 13. August ziehen 1500 Soldaten zur Verstärkung der amerikanischen Garnison in Berlin ein. Hunderttausende säumen die Straßen bei der Stadtrundfahrt der Konvois, die über den Kurfürstendamm führt, und bei der Parade vor dem US-Hauptquartier in der Clayallee.

Das Recht auf freie Zugangswege über die Interzonenautobahn war zu demonstrieren. Washington registriert mit Genugtuung, dass es keine Zwischenfälle gab. Das SED-Blatt „Neues Deutschland“ begnügt sich mit einer Karikatur. Die zeigt einen Panzer, an dessen Geschützrohr ein steifes Korsett hängt. General Lucius D. Clay, der mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson seit dem Vortag zu Besuch ist, macht demonstrativ einen Abstecher in den Ostsektor.

Johnson übergibt dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt eine Botschaft von Präsident John F. Kennedy, die Antwort auf den Brandt-Brief mit der Forderung nach Taten. Die Verstimmung wischt er mit Charme weg. Protokollbeamte müssen ihm die gleichen leichten Sommerschuhe besorgen, die Willy Brandt trägt. Am Sonntagabend drängt es ihn, bei der KPM ein Souvenir zu kaufen. Brandts Einwand, dass alle Läden zu sind, kontert er fröhlich in Anspielung auf den besagten Brief: „Sie sind doch ein Mann der Taten.“ Also wird auch das Shopping bei der KPM noch arrangiert. Als sich Johnson um vier Uhr früh auf dem Flughafen Tegel verabschiedet, winken ihm wieder Hunderte zu, und er sagt gerührt: „Ich habe die Seele einer Stadt gesehen.“ Die Westmächte hätten keine besseren Alliierten als die Bürger dieser Stadt. Auf dem Güterbahnhof Spandau treffen mit einem britischen Militärzug 16 Panzerspähwagen und 18 gepanzerte Lastwagen ein. London hat diese Verstärkung der britischen Garnison in Berlin erst am Vortag mitgeteilt.

In Erfurt wird Ulbricht beim Treffen der Kinder-Organisation Junge Pioniere „stürmisch begrüßt". In einer vierstündigen „Pionierparade" ziehen „30 000 Thälmann-Pioniere" und Tausende von der FDJ unter der Losung: „Wir lieben unsere Republik, mit Walter Ulbricht für Deutschlands Glück!“ an der Ehrentribüne vorbei. Dem Staatsratsvorsitzenden wird gemeldet, die Pioniere hätten „bis heute 7 925 729 Stunden gesellschaftlich nützliche Arbeit geleistet“.

Drei Passagiere des DDR-Fähre „Seebad Warnemünde“ wollen nach der Ankunft im dänischen Hafen Gedser auf den Kai springen. Die Flucht misslingt, sie werden gewaltsam an Bord festgehalten.Brigitte Grunert

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