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Kata Wegner, Julia Schuppan und Luigi Lauer, die Initiatoren des Baumscheibenfestes der Nachbarschaftsinitiative im Treptower Kungerkiez.

© Davids/Florian Boillot

Gemeinsame Sache in Treptow-Köpenick 2016: Wenn Nachbarschaft wächst

Der Treptower Kunger-Kiez ist beim Engagement ganz vielfältig: Anwohner engagieren sich vom Baumscheibenfest bis zum Flüchtlingschor.

Es muss nicht immer die schönste sein. Vielleicht gewinnt auch die originellste oder langlebigste Baumscheibe den Goldenen Gartenzwerg. Sicher ist eines: Das Baumscheibenfest des Treptower Kunger-Kiezes wächst von Jahr zu Jahr.

Dabei war das Kiezfest aus einem Streit zwischen Bürgern und Behörde entstanden. Das Tiefbauamt hatte damals Zäune an selbst bepflanzten Baumscheiben verboten. Mit einer Garten-Guerilla-Aktion vorm Tiefbauamt konnten die Nachbarn aus dem Kunger-Kiez jedoch das Verbot abwenden. „In 48 Stunden habe ich damals zehn Leute und die nötige Ausrüstung zusammengetrommelt“, erinnert sich Luigi Lauer. Das sind die Vorteile einer Nachbarschaft, die sich kennt und engagiert.

Die beste Baumscheibe bekommt den Goldenen Gartenzwerg

Lauer gehört zusammen mit Kata Wegner, Julia Schuppan und Ricky Strohecker zum Veranstaltungskomitee des Kiezfestes, das jedes Jahr die besten Baumscheiben mit dem Goldenen Gartenzwerg prämiert. Tatsächlich zeigen die Anwohner beim Fest aber nur einen Ausschnitt ihres ganzjährigen Engagements. Im Zentrum steht dabei der Verein „KungerKiezInitiative“: „Im nächsten Jahr feiern wir zehn Jahre Kiez-Initiative und fünf Jahre Baumscheibenfest“, sagt Kata Wegner stolz. Vor rund zehn Jahren gründete ihr Mann Michael Schmitz zusammen mit Zosch, dem „Bürgermeister“ der Wagenburg Lohmühle, die Initiative Kunger-Kiez.

„Alles was hier passiert, passiert ehrenamtlich“, sagt Wegner. Der Verein erhält keine Regelförderung, sondern trägt sich durch großes bürgerschaftliches Engagement, Mitgliedsbeiträge und Spenden. Und dann sind da noch die „Bürgerkurse“: „Wir sind eigentlich eine selbstorganisierte Volkshochschule“, sagt Michael Schmitz. Die Idee ist aber fast noch besser: Nachbarn bieten Unterricht für Nachbarn an – jeder unterrichtet, was er kann und gerne macht. Wenige Euro kostet ein Termin, einen Teil davon erhält der Kursleiter als Aufwandsentschädigung. Musikalische Früherziehung, Kleinkind-Disko, Yoga, Tai Chi, Malen und Zeichnen oder eine literarische Schreibwerkstatt sind im Angebot.

Engagement für Flüchtlinge

Seit 1993 wohnt der freiberufliche Deutschlehrer hier im Kiez. Zurzeit gibt Schmitz geflüchteten Frauen Deutschunterricht. Das Besondere: eine ehrenamtliche Kinderbetreuung, die den Frauen die Teilnahme am Kurs überhaupt erst ermöglicht. Doch Schmitz' Engagement ist damit noch lange nicht erschöpft. Für geflüchtete Jugendliche bietet er Sommerschulen an, in denen sie etwa ein Musikvideo drehen. Für queere Geflüchtete aus der nahe gelegenen Treptower LGBT-Unterkunft gibt der Verein Tanzkurse. Zudem erarbeitet Schmitz ein Theaterstück mit Interessierten aus der Flüchtlingsunterkunft, bei dem sie drei Monate lang 15 Stunden pro Woche zusammen im „Kunger.Kiez.Theater“ proben. „So lernen die Teilnehmer gleichzeitig Deutsch“, sagt Schmitz. Das Kiez-Theater hat er ebenfalls vor Jahren gegründet.

Inzwischen sind immer mehr Baumscheiben im Kunger-Kiez entstanden. Es gibt Design-Baumscheiben, Kräuterbaumscheiben, Gemüsebaumscheiben und eine Baumscheibe als „Mini-Kindergarten“ mit kleinem Tor und einer Bank.

Und was sind die Vorzüge einer bepflanzten Baumscheibe? „Es ist das kleinste Gärtchen, das man haben kann“, sagt Luigi Lauer. Außerdem habe sie eine unheimliche Sogwirkung: Kaum einer kann vorbei gehen, ohne stehen zu bleiben und ein Gespräch zu beginnen. Das macht den Kunger-Kiez so lebenswert. „Bei uns ist es gleich vor der Haustür schön, wir müssen dafür nicht erst woanders hinfahren“, sagt Schuppan.

Kiezchor der "Weltberliner"

Ein weiteres Kind des Kiezes ist der Chor „Die Weltberliner“. Geflüchtete, internationale und alteingesessene Berliner treffen sich wöchentlich zur Chorprobe unter Leitung von Karoline Rieder. Afrikanische, israelische, japanische, arabische und deutsche Lieder haben sie im Repertoire. Regelmäßig tritt der Chor bereits in Berlin auf, und auch beim Baumscheibenfest am 17. September wollen sie dabei sein. Für die vielen bürgerschaftlichen Initiativen im Kiez ist das Fest eine wichtige Gelegenheit, die Tore zu öffnen und ihre Arbeit zu präsentieren.

Aktionstage Gemeinsame Sache - Machen Sie mit! Wollen Sie – allein, mit Nachbarn, Freunden oder Ihrer Initiative – mitmachen beim Aktionstag von Paritätischem Wohlfahrtsverband, WirBerlin und Tagesspiegel? So melden Sie sich an: www.tagesspiegel.de/gemeinsamesache oder www.aktionstag-berlin.de. Bei Fragen: gemeinsamesache@tagesspiegel.de

Jana Scholz

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