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Auch bei der Beifallsbekundung ändern sich die Moden.

©  Christian Helten/dpa

Serie: So kann’s gehen: Über Moden im Applaus

Darf man im Theater oder im klassischen Konzert auch laut pfeifen und trampeln, um eine Aufführung zu feiern? Elisabeth Binder beantwortet eine Leserfrage.

Frage: Immer häufiger stelle ich fest, dass ein großer Teil des Publikums in Theatern, Varietés und Konzertsälen sein Gefallen an dem Dargebotenen nicht nur mittels Klatschen, sondern auch durch lautes Grölen und Pfiffe bekundet. Für mich war bislang das Pfeifen bei Veranstaltungen eine Missfallenskundgebung.

Vor Kurzem war ich im Wintergarten, meine jugendliche Sitznachbarin bekundete ihr Gefallen durch so lautes Pfeifen, dass ich fürchtete, einen Gehörschaden davonzutragen. Meine vorsichtige Missfallenskundgebung darüber quittierte sie mit völligem Unverständnis. (Serge, hellhörig)

Antwort: Tja, sogar beim Beifall gibt es Moden. Wenn Sie in einer Zeit groß geworden sind, da es noch nicht so üblich war, Emotionen zu zeigen, überschwänglich zu reagieren, ist Ihre Irritation natürlich sehr verständlich. Aber sie sollten sich auch in die jungen Nachbarn hineinversetzen. Früher reichte man einander zur Begrüßung die Hand und klatschte gesittet vor sich hin. Heute herzt und küsst man sich zur Begrüßung, und wenn einem eine Darbietung gefällt, belässt man es halt nicht beim Klatschen, sondern veranstaltet einen Höllenlärm, so dass der Protagonist auf der Bühne auch spürt, wie sehr er gemocht und bewundert wird.

Die Woge aus Klang soll den so geehrten Künstler gewissermaßen einhüllen. Emotionen zu zeigen ist im Lauf der Zeit immer salonfähiger geworden, auch deshalb bricht sich Begeisterung inzwischen auf verschiedenen Wegen Bahn. Verbreitet ist in diesem Zusammenhang das Trampeln, aber eben auch Pfiffe haben ihre Bedeutung gewandelt, von Missfallen zu enthusiastischer Zustimmung. Wenn etwas nicht gefällt, dann stößt das auf Schweigen oder auch auf Buh-Rufe.

Dass man jemanden auspfeift, ist nicht mehr so üblich, das stimmt schon. Es gibt aber auch noch andere, stillere Möglichkeiten des Beifalls. Das unter Intellektuellen übliche Klopfen dürfte fürs Gehör weniger schädlich sein als so ein richtiger Beifallssturm. Aber so oft ist man ja auch nicht bei einer ausgezeichneten Darbietung anwesend. Da sollte man sich die Laune nicht verderben lassen, sondern am besten auf die ganz eigene Art einstimmen in den Applaus.

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