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SERIE WENDEKalender: 28. Dezember 1989

West-Berliner bringen Fahrgäste in Lebensgefahr – an der Tram-Haltestelle Und Ost-Berliner sind sauer, weil die Mauer für Millionen verscherbelt wird

JAHRE

MAUERFALL

DDR-Bürger können vom 1. Januar 1990 die West-Berliner Hallenbäder zum halben Eintrittspreis besuchen, berichtet der Tagesspiegel. Die kostenlosen Stadtrundfahrten durch West-Berlin hingegen werden nicht mehr angeboten. In einer Bilanz des Senats heißt es, dass 30 000 DDR-Bürger durch die Stadt gefahren wurden; die Besucher standen in „Dreierreihen bis zu 300 Meter Schlange“. Die kostenlosen Schiffsfahrten wurden vor zwei Wochen eingestellt.

Auch die West-Berliner erkunden zwischen den Feiertagen munter die andere Stadthälfte – und machen mächtig Probleme: Die West-Berliner Autofahrer rollen nämlich an den Straßenbahnhaltestellen einfach weiter, wenn die Tram hält und Menschen aussteigen wollen. Die Ost-Berliner Polizei erklärt den West-Berlinern daher noch einmal freundlich die Verkehrsregeln („Nur wenn niemand beim Ein- und Aussteigen behindert wird, darf man langsam an der Straßenbahn vorbeifahren“), der Tagesspiegel schreibt: „Die Regel war einst auch im Westteil bekannt, ist aber offenbar in Vergessenheit geraten. Die letzte Straßenbahn der BVG fuhr nämlich am 2. Oktober 1967.“ Das war übrigens die Linie 55, vom Bahnhof Zoo über den Spandauer Damm bis nach Spandau. Zur letzten Fahrt waren damals 60 000 Berliner gekommen, aber das nur am Rande.

Kurios ist die Vermarktung des Mauer, um die sich ein Ost-Berliner und ein Spandauer Unternehmen kümmern. Museen, Privatleute, Galerien aus aller Welt greifen zu – „für 1000 Mark ist nicht mehr viel zu haben“, heißt es. Es geht längst um Millioneneinnahmen. Sauer reagieren daher auch so manche Ost-Berliner. „Det is’ unsre Mauer!“, meckerte ein Mann beim Anblick der vielen Mauerspechte auf dem Ku’damm, die dort Steinbrocken für 20 Mark anboten. Bei der DDR-Regierung hagelte es Proteste, die Mauer sei „Volkseigentum“.

Etwas übersehen? Oh ja, Tagesspiegel, Seite 11, gut versteckt eine Mini-Notiz. Ab morgen, 13 Uhr, wird kein Begrüßungsgeld mehr ausgezahlt. AG

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