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Gut gelandet. Mitten auf der Wiese steht eine „Iljuschin 62“ mit Originalbeschriftung „Interflug“ und DDR-Staatswappen. Sie ist dort tatsächlich im Herbst 1989 gelandet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Serie zur Buga 2015: Wo Flugpionier Otto Lilienthal Geschichte schrieb

Das ganze Dorf Stölln steht im Zeichen des Flugpioniers Otto Lilienthal. Vom dortigen Gollenberg startete er mit seinem Gleitschirm. Zur Bundesgartenschau ist ein ausgedientes Passagierflugzeug in einem "Fliegerpark" mit Wildrosen zu sehen.

Natürlich kam Otto Lilienthal vor allem wegen des Gollenbergs nach Stölln. Von ihm stürzte er sich wagemutig mit seinem Gleitschirm in die Tiefe und segelte rund 250 Meter weit. Ihm gelang sogar eine Kehre in der Luft, die vorher noch kein anderer Mensch geschafft hatte. Die Stöllner setzten ihrem Helden gleich mehrere Denkmäler und Gedenksteine. Und ohne ihren Otto wäre auch die Bundesgartenschau niemals in solch ein kleines Dorf mit gerade mal 200 Einwohnern gekommen.

Die Buga spricht denn auch vom „Amt Rhinow“, denn Stölln gehört zur Gemeinde Gollenberg und die, zusammen mit Rhinow, Großderschau, Havelaue, Kleßen-Görne und Seeblick zu jener Verwaltungsgemeinschaft. „Sie haben alle für Stölln Geld gegeben, da ist es nur gerecht, dass sie als Amt genannt werden“, erklärt Behördenchef Jens Assmann die Bezeichnung für den Standort, der ein Stück entfernt von der Havel liegt.

Etwas für Entdecker bietet auch dieser Standort. „Es gibt manches interessante Gerücht über Otto Lilienthal“, erzählt beispielsweise Ilona Dahlmann, sozusagen eine „Ur-Stöllnerin“. Am Weg zum Buga-Eingang betreibt sie ein Antiquariat. „Man sagte ihm eine enge Beziehung zur Gasthofchefin Minna Herms nach. Es bestand also wohl im wahrsten Sinne des Wortes ein Bratkartoffelverhältnis.“

Liebe ohne Aussicht

Ein bisschen von gestern ist dieser Begriff schon, das sieht man an den fragenden Augen der Besucher. Auf dem Dorf aber ist er noch gebräuchlich: Er meint eine Liebesbeziehung ohne Aussicht auf eine feste Bindung. Der Name ist wohl entstanden, als Kriegsheimkehrer bei Frauen neben Zuwendung vor allem auch eine warme Mahlzeit suchten.

Danach kann man ja im Gasthof „Zum 1. Flieger“ einkehren – ganz wie einst Otto Lilienthal.
Danach kann man ja im Gasthof „Zum 1. Flieger“ einkehren – ganz wie einst Otto Lilienthal.

© Kitty Kleist-Heinrich

Die ordentliche Literatur verschweigt Otto Lilienthals Techtelmechtel. Dort ist lediglich von seiner Vorliebe für die Kartoffelsuppe von Minna Herms die Rede. Der Gasthof existiert übrigens noch – als Gaststätte „Zum 1. Flieger“. Alte Fotografien und Plakate erinnern daran, was der Flugpionier am „Ausspannen in schöner Natur“ schätzte.

Das Lokal ist aber auch mit Lilienthals tragischem Lebensende verbunden. Denn nach dem Absturz aus 15 Meter Höhe am 9. August 1896 brachten die Helfer den Schwerverletzten zuerst in diese Gaststätte. Dort aber konnte ihm niemand helfen, deshalb wurde er nach Berlin transportiert. Umsonst. Am nächsten Tag starb er im Alter von nur 48 Jahren. Doch das kleine Stölln vergaß nie seinen großen Helden.

Ein Flugzeug im "Grünen Klassenzimmer"

Ohne ihn würde heute auch keine ausgediente Passagiermaschine des Typs „IL 62“ auf einem Hügel am Ortsrand stehen. Und die wiederum ist der alleinige Grund für das Gastspiel der Bundesgartenschau in Stölln. Um das Flugzeug, das hier auf einer nur 900 Meter langen Graspiste im Herbst 1989 gelandet ist, gruppiert sich nun ein farbenfroher „Fliegerpark“ mit Wildrosen, Stauden und Kakteen. Ein Rundweg mit Bohlen führt als Gangway ins Gelände hinaus und wird von Steppengleitern geschmückt. Diese Stahlkisten sind den von Lilienthal verwendeten Fluggeräten nachempfunden und scheinen über dem Boden zu schweben.

Man kann das museale Innenleben der "Iljuschin 62" ansehen.
Man kann das museale Innenleben der "Iljuschin 62" ansehen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Am Ende des Pfads fällt der Blick auf eine überraschend hügelige Landschaft. Segel- und Drachenflieger nutzen die Thermik für mehr oder minder langes Schweben in der Luft. Der Ausstellungspavillon neben der „IL 62“ sieht ein wenig nach Flugzeugwerft aus, dient aber als Auskunftsstelle, als „Grünes Klassenzimmer“ für Schüler, als Werkstatt für den Bau von Drachen und bietet Platz für die Gastronomie. Das Gebäude wird wohl nach der Buga wieder abgebaut, doch Gangway und Steppengleiter bleiben als dauerhafte Installation rund ums Flugzeug.

Die früher im Passagierraum untergebrachte Lilienthal-Ausstellung ist übrigens in die ehemalige Brennerei in der Dorfmitte umgezogen. Dort ist mehr Raum, um das Leben des Ingenieurs, Forschers und Flugpioniers ausführlicher und damit angemessen zu würdigen.

Auf dem Weg dorthin führt der Buga-Rundweg am Schau-Projekt Feldkulturen vorbei. Ein kleiner Lehrpfad für alle Sinne. Wer sich in Erinnerung rufen will, wie verschiedene Getreidearten und Pflanzen – Roggen, Hafer, Gerste, Lupine oder Topinambur – aussehen, kann dort ausgiebig tasten, fühlen und riechen. Über den Feldern kreist dann vielleicht sogar ein Storch, von dem sich Otto Lilienthal einst die Flügel abgeschaut haben soll. Auch diese Geschichte erzählt man sich in Stölln.

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