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Berlin: Sexualtäter-Ambulanz: Anwohner in Aufruhr

Wissenschaftler und Politiker halten die Einrichtung in Tegel für ungefährlich. Sie wollen die Nachbarschaft besser informieren

Nun endlich wird im Bezirk Reinickendorf mit den Anwohnern diskutiert: Monatelang schwiegen die Verantwortlichen über die geplante Therapieeinrichtung für entlassene Sexual- und Gewaltstraftäter. Die Ambulanz mit 40 Therapieplätzen in unmittelbarer Nähe der Justizvollzugsanstalt Tegel soll im April eröffnet werden – in der Nachbarschaft befinden sich Schulen und Kitas. Und so wuchs bei Eltern die Angst vor einer vermeintlichen Gefahr, die niemand so recht einzuschätzen wusste.

Nun, nachdem das Thema heftig debattiert wird, nehmen die Politiker die Befürchtungen ernst. Die Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung verabschiedete vor wenigen Tagen eine Entschließung gegen den Standort der Ambulanz. Und in der kommenden Woche diskutieren gleich auf mehreren Veranstaltungen Vertreter von Bezirksverwaltung und Senat mit den Anwohnern. So nehmen am Dienstagabend Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) und PDS-Gesundheitssenatorin Heidi KnakeWerner an einer Debatte in der Alfred-Brehm-Grundschule am Ascheberger Weg teil.

Tatsächlich aber ist das Gefährdungspotenzial der Ambulanz weniger umstritten, als die Heftigkeit der Debatte vermuten lässt. Selbst Gegner des Standortes wie Reinickendorfs CDU-Bezirksbürgermeisterin Marlies Wanjura und Oliver Schruoffeneger, Haushälter der Grünen im Abgeordnetenhaus, argumentieren eher mit den Interessen der Therapiepatienten. „Der Standort ist ungeeignet, weil der ständige Anblick der JVA den Therapieerfolg gefährdet“, sagen beide. „Wir haben im Bezirk schon zu viele Justiz- und Therapieeinrichtungen“, fügt Wanjura hinzu. „Besser wäre ein anderer Standort, am besten sogar zwei in Berlin, damit die Straftäter nicht zu einer einzigen Ambulanz pilgern müssen.“

Auch Wissenschaftler sehen keine größere Gefahr für die Anwohner. Das Konzept der Ambulanzen existiert noch nicht so lange, dass es schon Studien gebe, sagt Steffen Lau. Lau ist Mitarbeiter am Institut für Forensische Psychiatrie des Charité-Klinikums Benjamin Franklin, das die Arbeit der Ambulanz wissenschaftlich begleiten soll. „Aber von Maßregelvollzugskliniken oder psychiatrischen Einrichtungen geht erwiesenermaßen keine erhöhte Gefährlichkeit aus.“

Nun üben sich die Verantwortlichen im Schwarzer-Peter-Spiel. „Wir haben unsere Missbilligung schon im vergangenen August deutlich gemacht“, sagt Bezirksbürgermeisterin Wanjura. „Aber die Senatsjustizverwaltung hat acht Monate lang nicht mit uns geredet.“ Die Justizverwaltung widerspricht: „Wir haben Frau Wanjura ständig auf dem Laufenden gehalten“, sagt Behördensprecherin Andrea Boehnke. Eine Gefahr gehe von der Ambulanz nicht aus. „Im Gegenteil: Denn jetzt kümmern wir uns um diejenigen, um die sich zuvor nach der Entlassung keiner kümmerte.“

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