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Berlin: Show und Schulden

Der Friedrichstadtpalast braucht einen 3,5-Millionen-Euro-Kredit. Soll der Senat zahlen? Ein Pro & Contra

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eigentlich sollte der Friedrichstadtpalast schon 1991 abgewickelt werden. Wenige Monate nach dem Mauerfall hatte der Senat beschlossen, das größte Revuetheater Europas aus der öffentlichen Trägerschaft zu entlassen. Das Haus mit 1895 Zuschauerplätzen im großen Saal, das früher dem Ost-Berliner Magistrat unterstand, galt als nicht mehr finanzierbar. Anfang 1990 verfügte das Theater noch über 850 Mitarbeiter, einen brauchbaren Wirtschaftsplan gab es nicht.

Aber ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Einigungsvertrag bewahrte das beliebte Musiktheater davor, privatisiert oder geschlossen zu werden. Der Senat hatte die Abwicklung juristisch falsch eingefädelt. Also drückten die hohen Kosten weiter. Allein für die Gehälter wurden im Jahr 1993 noch 17,9 Millionen Euro gezahlt.

Der Landesrechnungshof schrieb damals in seinem Jahresbericht: „Der Friedrichstadtpalast hat Personal- und Sachausgaben geleistet, die in erheblichem Umfang nicht gerechtfertigt sind.“

An dieser Situation hat sich im Lauf der Jahre viel geändert. 1995 wurde das Theater in eine landeseigene GmbH umgewandelt. Die Zahl der Mitarbeiter schrumpfte bis heute auf 255 und der staatliche Zuschuss wurde von 9,2 Millionen Euro auf 6,15 Millionen Euro verringert. Das ist nur ein Viertel der gesamten Erträge: Der Friedrichstadtpalast finanziert sich weitgehend aus eigener Kraft. Kein Vergleich zu den Staatlichen Schauspielbühnen (Schiller- und Schloßparktheater), die 1993 abgewickelt wurden. Der Senat sparte dadurch einen Zuschuss von 21,9 Millionen Euro jährlich.

Das Schillertheater hatte das Pech, dass es in harter Konkurrenz zu vielen anderen Sprechbühnen stand – und die Gunst der Zuschauer verlor. Anfang der Neunziger Jahre musste das Land Berlin jeden besetzten Zuschauerplatz mit 133 Euro subventionieren. Dagegen profitierte der Friedrichstadtpalast noch bis 2001 von seinem Alleinstellungsmerkmal als bühnentechnisch und personell hervorragend ausgestattetes Revue- und Showtheater. Die Besucher kamen, massenhaft herbeigekarrt, von Busunternehmen. Selbst kurz nach der Wende, als der Theaterbetrieb noch enorm kostspielig war, wurde jeder besetzte Platz nur mit 29 Euro öffentlich gefördert.

Doch seit einigen Jahren funktioniert das alte Modell nicht mehr richtig. Die Zuschauer blieben weg, und damit die wichtigste Einnahmequelle. Im Herbst 2007 musste der Aufsichtsrat die Notbremse ziehen: Ein Wirtschaftsprüfer wurde bestellt, ein neuer Intendant berufen. Das Haus wird nun saniert, weiteres Personal abgebaut, das Programm wird umgestellt und modernisiert

Das alles kostet erst einmal Geld, frühestens im kommenden Jahr kann das neue Konzept auch finanziell Wirkung zeigen. Auf die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit ab Mitte 2008 hatte der Wirtschaftsprüfer übrigens schon hingewiesen, als er den Jahresabschluss 2007 analysierte. Gewissheit gab aber erst eine Liquiditätsplanung, die das Theater der Kulturverwaltung in den vergangenen Sommerferien vorlegte.

Genau 3,5 Millionen Euro werden gebraucht, als Überbrückungskredit, der bis zum Jahr 2020 getilgt werden soll. Das Parlament wird, mit Ausnahme der Freien Demokraten (FDP), diesem Vorschlag des Kultursenators Klaus Wowereit folgen. Nicht, weil er freundlich bittet oder so mächtig ist, sondern, um eine traditionsreiche Berliner Kultureinrichtung zu retten. Ulrich Zawatka-Gerlach

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