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Schmeckt nicht jedem. Dänische Fans zündeten Feuerwerk im Jahnsportpark, obwohl sie einzeln von den Ordner abgetastet wurden. Unter den immer weiter steigenden Sicherheitsvorkehrungen leiden auch jene, die eigentlich friedlich das Event genießen wollen – in der Waldbühne ist die Mitnahme von Rucksäcken und Taschen verboten. 

© dpa, Imago

Sicherheit in Berlin: Hier Böller, da Brötchen

Die einen wollen feiern, die anderen Ärger. Und ganz andere drohen mit Anschlägen. Wie die Eventbranche – von Hertha bis Festival – die Sicherheit erhöht.

Betonklötze auf Fahrbahnen, Sicherheitsschleusen bei jedem Konzert? Nach den islamistischen Anschlägen in Frankreich und Bayern steht die Sicherheit von Großveranstaltungen wieder im Mittelpunkt. In Nizza war ein Lastwagen in eine Menschenmenge gerast, in Ansbach hatte ein Mann vor einem Open-Air-Konzert eine Bombe im Rucksack gezündet. Angesichts der jüngsten Ereignisse hat der Veranstalter für das nächste große Konzert in Berlin – Sting spielt am Montag in der Waldbühne – die Sicherheitsvorkehrungen bereits verschärft.

Doch Veranstaltungen wie Marathon oder Karneval der Kulturen lassen sich nicht zu 100 Prozent schützen. Nicht jede Querstraße kann mit Betonklötzen abgesichert werden. Auch Taschenkontrollen oder Rucksackverbote können nicht überall durchgeführt werden: „Wir laufen auf einer Straße und nicht auf einem abgegrenzten Areal, da ist das gar nicht möglich“, sagt Jens Schwan, Veranstalter von der Demo „Zug der Liebe“, die am Sonnabend von der Karl-Marx-Allee Richtung Treptower Park zieht.

2006 war ein geistig Verwirrter mit seinem Auto in die Menschenmenge der Fanmeile gefahren: 26 Personen waren bei dem Zwischenfall in der Ebertstraße verletzt worden, die meisten von ihnen nur leicht. Erst ein Betonquader vor der Haupttribüne hatte die Fahrt von Rahmat S. gestoppt. Ein Gericht hatte ihn anschließend in die geschlossene Psychiatrie geschickt. Der damalige Innensenator Ehrhart Körting hatte am Tag darauf gesagt, dass es „keinen Sinn mache, Volksfeste wie die Fanmeile mit Stahlpollern oder Betonklötzen abzuriegeln“.

Dies gilt bis heute.

Über Betonklötze allerdings verfügen die Sicherheitsbehörden seit vielen Jahren. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 hatte das Land 50 davon beschafft – und diese dann 2003 vor der Synagoge in der Oranienburger Straße aufgestellt. Die hohen Kosten von 100 000 Euro hatte eine Senatssprecherin damals so begründet: Der Beton sei so teuer, weil er besonders stabil sei: „Der hält Panzer auf.“ Weil die Klötze hässlich waren, verschwanden sie aber schnell wieder, seitdem wird die Synagoge durch Metallpoller geschützt, die tief im Boden verankert sind. Als sicherste Konstruktion gelten die Betonstelen, die die US-Botschaft umgeben. Sie sollen sogar den Durchbruch schnell fahrender Lastwagen stoppen. Metallpoller sichern auch die britische Botschaft, die Wilhelmstraße ist zudem als Straße entwidmet – berlinweit einmalig. Wenige Male wurden die Betonquader seitdem auch für kurzzeitige Einsätze verwendet, so vor dem Hotel Interconti beim Besuch des israelischen Präsidenten. Die tonnenschweren Klötze können mit Kränen bewegt werden. Andere Institutionen schützen sich mit Sicherheitsschleusen. Nachdem 2004 ein Verwirrter mit einer Panzermine in das Sozialgericht in Moabit eingedrungen war, hat die Justiz alle Gerichte gesichert. Metalldetektoren wie am Flughafen gibt es auch im Abgeordnetenhaus oder im Jüdischen Museum.

Beim Hertha-Spiel am Donnerstag gegen Bröndby Kopenhagen im Jahnsportpark haben die Sicherheitsvorkehrungen nur bedingt gegriffen. Fans auf beiden Seiten zündeten in der zweiten Spielhälfte massiv Pyrotechnik, die sie an den Ordnern vorbei ins Stadion geschmuggelt hatten. Dabei waren die Fans vorab dazu aufgefordert worden, keine Rucksäcke oder große Taschen mitzunehmen. Auch die Personenkontrollen seien verstärkt worden, sagte Hertha-Geschäftsführer Ingo Schiller. Aber: Es gebe „keine Chance“, die immer kleineren Böller und Bengalos im Rahmen der Personenkontrollen zu entdecken. Man werde mit einem „ähnlichen Ansatz“ auch die kommenden Heimspiele kontrollieren. Dazu komme stets die enge Zusammenarbeit mit der Polizei – ein Aspekt, der für sämtliche Veranstaltungen Berlins nun in verstärkten Maße gilt. So auch für den „Zug der Liebe“. Veranstalter Jens Schwan sagte gleichzeitig, die Attentate der jüngsten Zeit hätten die Verantwortlichen zwar zusätzlich sensibilisiert – nicht zu demonstrieren sei aber das falsche Signal.

Für das Internationale Bierfestival am ersten Augustwochenende – dort werden Zehntausende erwartet – ist zwar die Zahl der Sicherheitskräfte aufgestockt worden, dies sei aber nicht außergewöhnlich, sagt Festivalsprecher Frank-Peter Bürger. Auch Tommy Nick, Sprecher des Lollapalooza-Festivals, relativiert. Dass sich die Sicherheitsvorkehrungen bei dem Festival gegenüber dem Vorjahr stark unterscheiden, hänge vor allem mit dem diesjährigen Festivalgelände zusammen, das leichter zugänglich sei. Es findet nicht mehr auf dem Flughafen Tempelhof, sondern im Treptower Park statt. Konkrete Sicherheitsanforderungen an die Besucher würden zudem erst kurzfristig bekannt gegeben, sagte Nick – „anlassbezogen“. Solch Formulierungen sind für die Organisation sämtlicher Veranstaltungen ebenfalls zentral. Tommy Mick: „Wer weiß, was im September ist.“

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