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Die "Hoffmankurve" am BER steht in der Kritik - besonders bei den Starts.

© dpa

Sicherheitsdebatte um die Hoffmannkurve: Bundesamt will BER-Flugroute besonders prüfen

Sechs Monate statt sechs Wochen Testphase in der Praxis: Die Bundesbehörde will die Hoffmannroute nach der BER-Eröffnung intensiv prüfen. Sie nennt den starken Kurvenflug gleich nach dem Start selbst "anspruchsvoll" - aber dennoch sicher.

Flugbegeisterte werden sich freuen, wenn ihre Maschine nach der BER-Eröffnung gleich nach dem Abheben eine dynamische Kehrtwende fliegt. Passagiere mit Flugangst aber könnten sich mit Blick aus dem Fenster rechts auf die nahe Erde möglicherweise beunruhigt fragen, warum der Flieger denn so schnell so sportlich eindreht – und auf der Autobahn könnten sich Fahrer wundern, warum Flugzeuge so tief unterwegs sind. In den Behörden und bei Deutschlands Piloten wird die nach ihrem Erfinder, einem Eichwalder Privatpiloten, benannte Hoffmannkurve nun intensiv diskutiert.

"Faktor Mensch" mache den Kurvenflug am BER anspruchsvoll, sagt die Behörde

Jörg Handwerg, Sprecher des Berufsverbands der Verkehrspiloten in Deutschland Cockpit, hat im Tagesspiegel Sicherheitsbedenken geäußert. Nun hat Nikolaus Herrmann, Direktor des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF), bekannt gegeben, dass die Route sechs Monate statt der sonst üblichen sechs Wochen nach Flughafeneröffnung in der Praxis geprüft werden soll. Er hält an der bisherigen Planung fest, bezeichnet die Route aber selbst als „anspruchsvoll“ – wegen des „Faktors Mensch“, dem "human factor". Die Flugkapitäne müssten mehr leisten, mehr Systeme an Bord seien beteiligt, sagte Herrmann dem Tagesspiegel: Unmittelbar nach dem Start nicht geradeaus und hoch zu fliegen sondern zugleich zu navigieren, wirke sich „wegen des höheren Anspruchs auf die mentale Arbeitslast der Beteiligten“ im Cockpit aus. Nach dem halben Jahr Erprobung im echten Flugbetrieb werde man alle BER-Flugrouten nochmal checken, keine Flugroute sei quasi "in Beton gegossen", so formulierte es der BAF-Direktor.

In der „kritischen Startphase“ wollen sich Flugkapitäne Pilotensprecher Handwerg zufolge lieber allein auf den Steigflug konzentrieren – aus Sicherheitsgründen. Schon ab 180 Meter Höhe – also auf halber Höhe des Fernsehturms – zusätzlich per Hand eine 145-Grad-Kurve zu fliegen, erhöhe die Komplexität im Cockpit, was in einem Notfall zum Problem werden könnte. Das zuständige Bundesaufsichtsamt und die Deutsche Flugsicherung sind bereit, mit Cockpit-Vertretern über deren Sicherheitsbedenken zu reden, noch habe sich aber niemand gemeldet.

Erhöhter Pulsschlag beim Piloten - aber alles sei absolut sicher

BAF-Direktor Herrmann sagt: „Wenn man beim Flugkapitän ein Messgerät anlegen würde, würde es einen erhöhten Pulsschlag anzeigen. Das bedeutet aber nicht, dass die Piloten nicht mit den erhöhten Anforderungen klarkommen.“ Der Kurvenflug ist laut der zuständigen Bundesbehörde absolut sicher.

Wer will, darf in der Hoffmannkurve auch geradeaus fliegen

Alle Flugkapitäne haben laut Nikolaus Herrmann zudem die Möglichkeit, beim Tower die Erlaubnis für einen Geradeausstart zu erbitten – wie ihn die Piloten in größeren und schwereren Maschinen wie dem Airbus A 380 ohnehin fliegen. Ob sich Flugkapitäne die Blöße geben würden? „Natürlich. Wer diesen Beruf mit dieser Verantwortung ergreift, hat ein hohes Selbstbewusstsein. Und er weiß auch, dass Sicherheit an erster Stelle steht.“ Die Kritik des Verbandes Cockpit, der 9200 Piloten vertritt, Kurven seien generell fehleranfälliger und das Sicherheitspolster werde dünner, wies Herrmann zurück. Er verweist darauf, dass die Planer in den Behörden selbst eine Pilotenausbildung besäßen. Bei den Tests einer Flugroute würden Ereignisse wie Vogelschlag, Triebwerksausfall oder auch nicht richtig festgezurrte Ladung, die den Trimm einer Maschine nach dem Abheben verändert, nicht einzeln durchgespielt.

Die "Hoffmannkurve" am BER:
Die "Hoffmannkurve" am BER:

© TSP/Fabian Bartel

Probleme träten statistisch „einmal pro hundert Million Fälle“ auf

„Diese Ereignisse treten weltweit so extrem selten auf, dass wir da über keine verlässlichen statistischen Größen verfügen.“ Von einer hundertprozentigen Sicherheit im Flugverkehr könne man realistischerweise nie reden, man spreche aber über Ereignisse, die „einmal pro hundert Million Fälle“ geschehen würden. Daher würden sie bei Flugroutenplanungen keine herausragende Rolle spielen. Bei den Berechnungen zur Sicherheitsbewertung seien aber, wie bei allen Flugroutenplanungen, Abweichungen vom Sollkurs durchgespielt worden. Diese Dokumente, denen statistische Bewertungen und Berechnungen zugrunde liegen, haben für die Hoffmannkurve ergeben, dass man weit im sehr sicheren Bereich liege. Zudem habe es einen Simulatorentest mit Chefpiloten der Lufthansa gegeben. Sollte tatsächlich etwas passieren, verfügten Piloten weltweit laut dem BAF-Direktor über das notwendige Können, um die Maschine trotzdem weiter sicher zu steuern. Hier seien zudem die Fluggesellschaften gefragt, die Piloten ausbilden. Cockpit-Verbandssprecher Handwerg hatte gegenüber dem Tagesspiegel gesagt, dass Probleme zwar statistisch sehr selten auftreten – dass das aber auch heißt, dass ein einzelnes Ereignis jederzeit eintreten könne.

Bei der Planung seien die Fluggesellschaften beteiligt gewesen

Doch der BAF-Leiter hält dagegen, bei der Festlegung der Flugrouten für den BER seien neben der Deutschen Flugsicherung auch die Lufthansa, Air Berlin sowie der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften BDF und die BARIG, der Verband aller Deutschland anfliegenden Fluggesellschaften, beteiligt gewesen. Dieser vertritt aus Cockpit-Sicht eher wirtschaftliche Interessen. „Wir hingegen können auch unbequeme Dinge äußern“, sagt Handwerg. Der BAF-Direktor wies den Vorwurf zurück. Herrmann wandte sich auch gegen die Argumentation, die Behörden dürften zum Standard für den Start in flachen Regionen nicht die erlaubten Minimumkurvenhöhen machen, die in bergigen Regionen Luftverkehr erst ermöglichen würden. Der Kurvensteigflug sei schließlich nach den strengen Gesetzen erlaubt, sagte er. Man wundere sich auch, warum sich Cockpit nicht früher zu Wort gemeldet habe.

Piloten sagen: "Stuntkurve", und "sportlich zu fliegen"

Unter Piloten macht derweil der Begriff „Stuntkurve“ die Runde. Gegenüber der Deutschen Flugsicherung (DFS) haben einige nach Tagesspiegel-Informationen angegeben, dass die Kurve „sportlich“, aber zu fliegen sei. Leser forderten jetzt, der kurvige BER-Start müsse zuvor in der Praxis erprobt werden, dies sei aber laut BAF wegen der aktuell geltenden Flugrouten nicht möglich. Die Experten verweisen darauf, dass vielerorts in der Welt dort, wo Hindernisse wie Hochhäuser oder Berge hinter der Startbahn stünden, den ICAO-Regeln gemäß solche starke Kurven gleich nach dem Start geflogen würden. Ein Leser aus Wildau sagte, die Interessen der Flugtickets zahlenden Kundschaft müssten auch berücksichtigt werden, er wolle in so einer Maschine ab Schönefeld nicht unbedingt sitzen.

Initiator Marcel Hoffmann will den Kurvenstart auch Richtung Westen

Privatpilot Marcel Hoffmann aus Eichwalde, der mit seiner Idee zum Kurvenabflug erst die Fluglärmkommission und dann die Flugsicherheitsbehörden überzeugt hatte, wünscht sich so einen Kurvenabflug zum Lärmschutz auch der westlich von Schönefeld gelegenen Gemeinden zudem auch bei Westwind-Wetterlage. Zuletzt hatte die Fluglärmkommission seinen Vorschlag bei der Westroutendiskussion nicht aufgenommen. Hoffmann will sich aber bei den Behörden weiter dafür stark machen, etliche Experten dort fänden die Lärmschutzkurve sinnvoll, sicher und gut, sagte Hoffmann dem Tagesspiegel.

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