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Bei der SPD wird über das Thema Videoüberwachung seit vielen Jahren kontrovers diskutiert.

© Roland Weihrauch/dpa

Videoüberwachung in Berlin: Der Volksentscheid könnte für die SPD zum Problem werden

80 Prozent der Berliner wollen mehr Videokameras im öffentlichen Raum. CDU und AfD befürworten das - Grüne und Linke sind dagegen. Doch was will die SPD?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine Volksabstimmung für mehr Videoüberwachung in Berlin, die von einem parteiübergreifenden Bürgerbündnis vorbereitet wird, könnte die Berliner SPD vor eine Zerreißprobe stellen. Denn bei den Sozialdemokraten wird über das Thema seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier, könnte sich sogar vorstellen, „dass ein großer Teil der SPD-Mitglieder in Berlin eine solche Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützen würde“.

Gleichzeitig wirft Kohlmeier dem Mitbegründer des Bürgerbündnisses, Ex-Justizsenator Thomas Heilmann (CDU), vor, nur ein erfolgversprechendes Thema für den Bundestagswahlkampf der Union zu suchen. Prominente Köpfe der Initiative sind außerdem der frühere Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD), die Vize-Landeschefin der Deutschen Polizeigewerkschaft, Sabine Schumann, und der ehemalige Superintendent der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Martin-Michael Passauer.

Senat möchte notfalls Gegenkampagne starten

Deren Ankündigung, bis zu den Sommerferien einen Gesetzentwurf für eine verschärfte Videoüberwachung gefährlicher Orte vorzulegen, sieht Kohlmeier vorerst entspannt entgegen. „Mal sehen, wie der Vorschlag aussieht und ob es der Initiative tatsächlich gelingt, Sicherheitsbedürfnisse der Bürger und den Datenschutz in Einklang zu bringen.“ Wie berichtet, will das Bündnis „für mehr Videoaufklärung und mehr Datenschutz“ für den Gesetzesantrag Unterschriften sammeln. Das wäre die erste Stufe für einen Volksentscheid, der gemeinsam mit den Europawahlen im Frühjahr 2019 stattfinden könnte, wenn genug wahlberechtigte Bürger dies unterstützen. Wegen der langen Fristen und des komplizierten Verfahrens wird es kaum schneller gehen. Außerdem erhöht die Zusammenlegung mit einer Parlamentswahl die Erfolgsaussichten für ein solches Plebiszit.

In der Diskussion über eine verschärfte Videoüberwachung gibt es in Berlin zwei große Lager: CDU und AfD als Befürworter, Linke, Grüne und FDP als Gegner. So lässt der Linken-Abgeordnete Hakan Tas an seiner Haltung keine Zweifel aufkommen: „Jeder Bürger hat die Möglichkeit, eine solche Volksabstimmung zu starten – aber nicht mit uns“. Sollte es dazu kommen, müsse der Senat eine Gegenkampagne starten, denn der Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen sehe eine Überwachung öffentlicher Plätze durch Kameras nicht vor.

Jusos lehnen Videoüberwachung ab

„Ich sehe das sportlich“, sagt der Grünen-Sicherheitsexperte Benedikt Lux. Er will erst einmal abwarten, wie der Gesetzentwurf für eine Verschärfung der polizeilichen Überwachungsmöglichkeiten an kriminalitätsbelasteten Orten aussieht. Vorläufig müsse sich Rot-Rot-Grün auf den Volksentscheid zur Offenhaltung des Flughafens Tegel konzentrieren, der am Tag der Bundestagswahl (24. September) stattfinden wird.

Die Sozialdemokraten stehen aber zwischen Baum und Borke. Zwar haben es einflussreiche Innen- und Rechtspolitiker des linken Parteiflügels in der Vergangenheit immer wieder geschafft, eine verstärkte Videoüberwachung zu verhindern, einzuschränken oder zu verzögern. Aber dem Bauchgefühl der Parteibasis entspricht das nicht. Vielleicht kann der SPD-Landesparteitag am 20. Mai zu einer Klärung beitragen. Dort wollen die Jungsozialisten ein klares Bekenntnis der Partei erzwingen. „Die Ausweitung der Videoüberwachung lehnen wir strikt ab“, heißt es im Antrag der Jusos. Es sei zwar richtig, dass die meisten Menschen Angst vor „Diskriminierung, körperlicher und verbaler Verletzung sowie dem Verlust von Eigentum und Daten“ haben und die Angst vor Terrorismus gestiegen sei. Aber „normale Autofahrten sind um ein Vielfaches gefährlicher“.

80 Prozent wollen mehr Videoüberwachung

Außerdem wirft der SPD-Nachwuchs den Medien vor, „diese Ängste unter anderem durch verzerrte Berichterstattung und schnellere Verfügbarkeit von Informationen über weltweite Geschehnisse“ zu verstärken. Vor allem Boulevardmedien hätten sich dabei als einflussreiche Akteure herausgestellt. Einer „linken, progressiven“ Innenpolitik komme daher die Aufgabe zu, sich nicht aus populistischen Gründen zu einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze hinreißen zu lassen. Der Antrag der Jusos wird auf dem Parteitag sicher keine Mehrheit finden.

Trotzdem müssen sich die Sozialdemokraten, wenn es zu einer Volksabstimmung kommt, für ein Ja oder Nein entscheiden. Im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag steht, weil man sich nicht einigen konnte, zur Videoüberwachung nichts. Es gibt nur vage Ankündigungen des Senats, etwa bei Großveranstaltungen „temporär und anlassbezogen“ Kameras einzusetzen. Sollte ein Volksentscheid zum Thema ähnlich ausgehen wie eine Forsa-Umfrage Anfang des Jahres, könnten die Initiatoren einen glänzenden Erfolg feiern. Demnach wollen 80 Prozent der Berliner mehr Videokameras an Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen.

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