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Sicherungsverwahrung: Vier Gewalttäter stehen kurz vor ihrer Entlassung

Die Strafvollstreckungskammer verhandelte über vier Sicherungsverwahrte, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entlassen sind. Das Gericht will in zwei Wochen entscheiden.

Von Sabine Beikler

Nur ein schlichter Hinweis hing am Saal 820 im Moabiter Kriminalgericht: „Nicht öffentliche Sitzung der 598. Strafvollstreckungskammer“. Diese Gerichte tagen zwar stets hinter verschlossenen Türen. Doch am Donnerstag hatte es die Strafvollstreckungskammer mit Fällen von großer Brisanz zu tun: Für vier Sicherungsverwahrte, die nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu entlassen sind, ging es um ihre Freiheit. Nach den gestrigen Anhörungen wird das Gericht voraussichtlich in zwei Wochen endgültig über die Zukunft der Schwerverbrecher entscheiden, teilte der Vorsitzende Richter mit.

Um zehn Uhr begannen die Anhörungstermine. Die Inhaftierten aber kamen nicht. „Sie wollten nicht“, sagte Rechtsanwalt Steffen Tzschoppe, der drei der vier Sicherungsverwahrten vertritt. Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt, ein Gutachter und Bewährungshelfer saßen mit im Saal. „Es war eine angenehme Atmosphäre“, betonte Tzschoppe. Es wurde unter anderem über ein Bewährungsmodell und Führungsauflagen für die Straftäter gesprochen. Neben Meldeauflagen sollen die Männer auch unangemeldeten Besuch von Polizisten bekommen.

Es sind neun Straftäter, darunter Mörder, Totschläger und Sexualverbrecher, die voraussichtlich bis Ende des Jahres in Berlin freigelassen werden. Sieben davon seien derzeit in der Justizvollzugsanstalt Tegel, zwei im Maßregelvollzug untergebracht, sagte Bernhard Schodrowski, Sprecher der Justizverwaltung. Einer von ihnen ist Jürgen B., über den die Kammer am Donnerstag beraten hatte. Der 70-Jährige sitzt seit 1969 fast ununterbrochen im Gefängnis. Nachdem er zehn von 15 Jahren wegen Mordes an einer Frau abgesessen hatte, tötete er 1979 während des Hafturlaubs eine weitere Frau und deren fünfjährigen Sohn. Das tote Kind missbrauchte er anschließend. Der Gutachter sieht bei B. keine „eingeschliffene Gewalttätigkeit“. Der gesundheitlich stark angeschlagene Mann soll in einem Seniorenpflegeheim untergebracht werden. Bei Rainer P. dagegen warnen Gutachter vor einem Rückfallrisiko. Der 53-jährige Totschläger, der seit dem 14. Lebensjahr alkoholabhängig ist, hat seine Taten unter Alkoholeinfluss verübt. Positiv wird über ihn vermerkt, dass er seit 2001 in der Justizvollzugsanstalt „beanstandungsfrei“ sei. Er soll wie der 57-jährige Sexualstraftäter Günter J. in einer betreuten Wohnanlage untergebracht werden. Bei J. lautet die Prognose „unsicher“.

Verhandelt wurde am Donnerstag auch über den 50-jährigen Straftäter Chris W., bei dem ein „geringes Risiko“ gesehen wird. Die langjährige Lebensgefährtin wirke stabilisierend auf ihn, hoffen die Gutachter. Er ist der einzige Gefangene, der „in gutes Sozialgefüge“ entlassen werden kann, wie es hieß. Seine Entlassung steht offenbar demnächst an.

Für die anderen drei Straftäter hat Justizsenatorin Gisela von der Aue bislang immer noch keine Unterbringungsmöglichkeiten gefunden. „Wir sind weiter auf der Suche“, heißt es in der Justizverwaltung. Die Begeisterung bei den Berliner Heimbetreibern, einen der Fälle aufzunehmen, ist angesichts der öffentlich geführten Debatte äußerst gering. Sie befürchten, dass Fotografen oder Kamerateams vor den Heimen stehen oder Nachbarn protestieren können. Ungeachtet dessen sieht Tzschoppe das Land in der Pflicht, eine geeignete Einrichtung zu finden. Sabine Beikler/Kerstin Gehrke

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