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Berlin: „SIE SIND VIELLEICHT ’NE MARKE“ – NAMEN, DIE SICH GUT VERKAUFEN Der Unbekannte, den jeder kennt

Nun macht er in der Friedrichstraße Geschäfte: Dirk Roßmann, Chef und Namensgeber von 75 Berliner Filialen mit Duschbad, Deo und Babybrei

Zuerst hieß es, Herr Roßmann selbst wird am Montag den 1000. Kunden in der neuen Filiale neben dem Bahnhof Friedrichstraße begrüßen. Aber als dann um kurz vor zwölf Uhr mittags Rita Fritsche aus Tiergarten die Kasse passiert, streckt ihr nur der zur Eröffnung angeheuerte Stoffbär seine Tatze entgegen. Herr Roßmann ist nicht in Sicht. Wer weiß, ob es ihn überhaupt gibt.

Doch doch, sagt sein Pressesprecher. „Aber unser Chef ist unkontrollierbar“, verabscheue Handys und mache, was er will. Positionsbestimmung sei nur über seinen mobil erreichbaren Chauffeur möglich.

Drei Stunden später – die Kundin hat gewonnene Duschbäder und Düfte längst nach Hause geschleppt – ist er da: unauffällige einssiebzig groß, hellblaues Hemd, sandfarbene Cordhose, Dreitagebart, Typ Segler. Dirk Roßmann, 56 Jahre alt, begutachtet die Sortierung von Babybrei und Fruchtsaft. Mit 25 hat er in Hannover den ersten deutschen Drogerie-Discount gegründet. Jetzt sind es insgesamt fast tausend in halb Europa und allein 75 in Berlin. Er ist offizieller Klopapier-Lieferant des Deutschen Bundestages. Er müsste steinreich sein. „Das Manager-Magazin hat mich auf Platz 220 gesetzt. Ich bin also ein relativ armer Reicher. Aber ich arbeite dran.“

Der Fotoservice wird ihn dabei kaum weiter bringen. Vor ein paar Jahren hat Roßmann die Konkurrenz mit Bildern für neun Pfennige erschreckt, jetzt kosten die Abzüge einen Cent. Fast jeder Hobbyfotograf, der nicht blöd ist und Geiz geil findet, trägt seine Bilder zu Roßmann. Den roten Schriftzug überm Eingang kennt man. Aber den Slogan? „Hm, unser Slogan?“, fragt Dirk Roßmann sich selbst. „Stimmt, wir haben gar keinen. Nur den Zentauren.“ Das ist das Fabelwesen mit dem Pferdeleib im großen „O“. Schon die alten Griechen kannten ihn; nicht aus der Drogerie, sondern aus der Mythologie. Bei ihnen galt er als bösartig. Dirk Roßmann aber ist nett. „Das sieht ja toll aus“, sagt er zu den beiden Frauen am Schmuckstand. „Wirklich schön.“ Die Verkäuferinnen bleiben strahlend zurück.

Unauffällig schlendert der Chef durch seinen Laden, setzt die Brille auf und ab und würde sich wohl beim Ladendetektiv verdächtig machen, wenn ihn nicht jeder Mitarbeiter kennen würde. In Deutschland jedenfalls. „Hier ist mein Foto immer mal in der Mitarbeiter-Zeitschrift.“ In der vorigen Woche hat er sich fast inkognito durch 45 tschechische Filialen geschlichen.

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