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Berlin: Sie verlassen den amerikanischen Sektor

Mit dem Umzug des US-Kulturinstituts endet eine Ära, die nicht nur von Freundschaft geprägt war

1955 kamen beinahe 1,2 Millionen Besucher. Zuletzt sollen es jeden Monat so um die fünf gewesen sein. Dieser dürre Zahlenvergleich sagt alles, was man wissen muss, um zu verstehen, warum das Berliner Amerika Haus geschlossen wird.

Dennoch sitzt der Schmerz tief. Das alte West-Berlin verliert einen weiteren Markstein, der über Jahrzehnte hinweg das Leben in der „Frontstadt“ geprägt hat. Ein „West-Berlin-Museum“ möge dort entstehen, hat die Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf beschlossen – eigentlich eine gute Idee, um das Haus am Leben zu halten, zugleich aber ein Affront gegen alle, die weiterhin hartnäckig versuchen, West-Berlin vor dem Untergang zu bewahren. Ist der alte Westen schon ein Fall fürs Museum? Mit Eberhard Diepgen als lebendem Ausstellungsobjekt?

Die Grünen hätten lieber ein Anti-Vietnamkrieg-Museum. Denn das Amerika Haus musste zwanzig Jahre nach seiner Gründung als Symbol für das böse Amerika seine Fassade herhalten. Wir erinnern uns: 1965 schickte die US-Regierung Truppen nach Südostasien, um den kommunistischen Vietkong aus den Wäldern Vietnams zu bomben. Der Vietnam-Krieg relativierte das positive Image der Schutzmacht Amerika zumindest in studentischen Kreisen.

Am 5. Februar 1966 kam es zur ersten großen Demonstration gegen den Vietnamkrieg. Vor dem Amerika Haus ließen sich Studenten zum „Sitzstreik“ nieder. Das Sternenbanner wird heruntergezogen, Eier zerschellen an der Hauswand. Das Haus hat seine akademische Unschuld verloren.

Nahezu bei jeder antiamerikanischen Demonstration wird das Kulturinstitut fortan zur Zielscheibe. Eine Polizeistreife patroulliert Tag und Nacht vor dem Haus. Doch das hindert eine Gruppe militanter USA-Hasser nicht, in einer Überfallaktion nach Mafiaart im Mai 1970 fast die gesamte Fensterfront einzuwerfen und ein paar Molotowcocktails folgen zu lassen. Das Feuer kann jedoch gelöscht werden. Zehn Jahre später wird das Haus von Sympathisanten der RAF-Terroristen vorübergehend besetzt. Im März 1982 lässt ein Sprengsatz wieder die Scheiben klirren – Menschen kommen nicht zu Schaden. Auch die übrigen Amerika Häuser in Deutschland bleiben von Attacken linker Gruppen nicht verschont. Ähnlich beansprucht wie das Berliner Institut, das schließlich mit Plexiglasscheiben ausgestattet wird, ist sein Pendant in Frankfurt am Main.

Entstanden ist das Berliner Amerika Haus kurz nach dem Krieg. Die US-Armee richtete in der Kleiststraße eine Lesestube ein. Der Hunger nach Büchern, Filmen und Zeitungen aus der freien Welt war riesengroß. Das Haus wechselte mehrfach den Standort, bis es 1957 in der Hardenbergstraße für 5,5 Millionen Mark einen Neubau erhielt. Die Bibliothek war von 800 Bände auf 17 000 angewachsen. 19 Bibliothekare kümmerten sich um die Ausleihe. Besonders Ost-Berliner nutzten das Angebot. Täglich kamen zwischen 800 und 1000 DDR-Bürger. Für sie gab es gelegentlich kostenlose Filmvorführungen bei Vorlage des DDR-Personalausweises.

Alle vier Jahre steigen schicke Wahlpartys. US-Popartkünstler stellen im Amerika Haus ihre Werke aus. Dem Leuchtturm amerikanischer Kultur und Lebensart geht erst in den 80er Jahren langsam die Strahlkraft aus. Die US-Regierung kürzt die finanziellen Mittel. Der Abstieg beschleunigt sich mit dem Ende des Kalten Krieges und der Akzentverschiebung amerikanischer Außenpolitik nach Osteuropa.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wird das Institut gezwungen, sich immer mehr einzuigeln. Sicherheitschecks wie am Flughafen. Zuletzt muss sich jeder Besucher spätestens am Vortag anmelden.

Die Amerikaner geben das Haus nun an den Eigentümer Berlin zurück. Sie hatten dort immer nur zur Miete gewohnt. Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und könnte nun vom Liegenschaftsfonds des Senats verkauft werden. Doch vorher soll sondiert werden, ob nicht eine kulturelle Nutzung möglich ist. Kultursenator Thomas Flierl habe in einem Brief seine Unterstützung für ein West-Berlin-Museum angekündigt, sagt Klaus-Dieter Gröhler, Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf. Allerdings habe Flierl kein Geld in Aussicht gestellt. „Allein kann der Bezirk das nicht stemmen.“ Fehlt also ein Mäzen, vielleicht mal einer aus Ost-Berlin, dem das Schicksal der Brüder und Schwestern aus dem Westen am Herzen liegt.

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