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Gewaltbereit. Lang ist die Liste der Delikte, die bald in zwei Rockerprozessen verhandelt werden: Es geht nicht nur um versuchten Mord, sondern auch um räuberische Erpressung, gefährliche Körperverletzung, schweren Hausfriedensbruch und Waffendelikte. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Berlin: Sieben Rocker vor Gericht

Ende 2011 eskalierte die Gewalt rivalisierender Mitglieder der Hells Angels und des Klubs Gremium. Ein unschuldiger 15-Jähriger wurde Zufallsopfer und beinahe erstochen. Nun beginnen zwei Prozesse.

Cottbus/Potsdam - Mehrere Tage lang schwebte der damals 15-Jährige in Lebensgefahr. Alles nur, weil er Silvester 2011 zur falschen Zeit am falschen Ort und zu Fuß vor der Disko Six in der Nähe des Bahnhofs von Königs Wusterhausen (Landkreis Dahme-Spreewald) unterwegs war. Er wurde Opfer eines Racheakts unter rivalisierenden Rockergruppen – allerdings das falsche.

Die Geschehnisse damals in Königs Wusterhausen stehen nun vor der juristischen Aufarbeitung. Vor dem Landgericht Cottbus beginnt am Freitag unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen ein Prozess gegen vier Gremium-Rocker. Sie sind angeklagt wegen versuchten Mordes, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, schwerem Hausfriedensbruch und Waffendelikten. Parallel sind in einem anderen Verfahren drei Mitglieder der Hells Angels ebenfalls wegen versuchten Mordes angeklagt. Beide Fälle haben direkt miteinander zu tun.

Konkret geht es um handfeste Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Rockerklubs Hells Angels und Gremium Ende 2011 in der knapp 34 000 Einwohner zählenden Stadt am südöstlichen Stadtrand Berlins. Es begann am Heiligabend. Ein Gremium-Rocker soll an diesem Tag nach Angaben aus Ermittlerkreisen den Präsidenten der Hells Angels Oder-City aus Frankfurt (Oder) als Weichei beleidigt haben.

Für die Hells Angels war die Angelegenheit eine Frage der Rockerehre: Die Rache dafür gab es am frühen Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages. Laut Anklage stellt sich das Geschehen so dar: 15 Mitglieder der Hells Angels laufen damals auf dem Bahnhofsvorplatz in Königs Wusterhausen auf. Sie holen aus der Diskothek mehrere Männer heraus, einer der Hells Angels sagt, alle Gremium-Mitglieder sollen vortreten und: „Wer den Präsidenten beleidigt, stirbt.“ Ein Mann des gegnerischen Rockerklubs, der 26-jährige Adam U., bekommt einen Schlagring von der Seite ins Gesicht, er wird gepackt und gegen einen Zaun gedrückt. Von hinten stechen ihm die Angreifer mit einem Messer zwei Mal in den Rücken in die Nierengegend.

Weil die Mitglieder des Klubs generell nicht mit der Polizei reden, setzte die Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise aus. Der Hauptangeklagte ist der 29-Jähriger Kay U. aus Frankfurt (Oder), der eine Führungsfigur der Hells Angels im Ruhrgebiet war. Mitangeklagt sind zwei 23 und ein 29 Jahre alte Rocker, die aus Bad Saarow stammen. Einer sitzt bereits wegen eines anderen Vergehens im Gefängnis. Die 22 Seiten lange Anklageschrift in diesem Fall liegt beim Landgericht Potsdam, wann das Verfahren eröffnet wird, ist noch unklar.

Der Racheakt der Rocker vom Gremium-Klub Nomads East Side, die aus Südbrandenburg und Sachsen stammen, wird nun ab Freitag vor dem Landgericht Cottbus aufgerollt. Die Angeklagten sollen in einer Gruppe von 40 Rockern in die Diskothek gegangen sein, ohne Eintritt zu bezahlen, um dort Mitglieder der Hells Angels zu suchen – allerdings vergeblich. Vor der Diskothek sollen die Rocker dann einen 15-Jährigen erblickt und ihn für ein Mitglied der Hells Angels gehalten haben. „Sie sollen ihn verfolgt und schließlich überfallen haben, um ihn zu demütigen und zu töten“, teilt das Gericht mit. „Die Angeklagten sollen den Jugendlichen getreten, mit Gegenständen geschlagen und mit Messern auf ihn eingestochen haben. Erst als sie das ohnmächtige Opfer für tot hielten oder mindestens davon ausgingen, der Jugendliche werde an den Verletzungen kurzfristig sterben, sollen sie von ihm abgelassen haben und davon gefahren sein.“ Im Krankenhaus konnten die Ärzte das Leben des Jugendlichen nur durch eine stundenlange Notoperation retten.

Einem der Angeklagten werden zudem Waffendelikte vorgeworfen. Bei ihm hatten die Ermittler Munition und eine Pistole gefunden, einen Waffenschein hatte der Mann dafür nicht.

Nach den Vorfällen, bei denen Unbeteiligte von Rockergewalt betroffen waren, haben die Sicherheitsbehörden hart durchgegriffen. Vermutet werden hinter der Rockergewalt in Königs Wusterhausen Machtkämpfe um die Gegend zwischen Königs Wusterhausen und Frankfurt (Oder), die traditionell Gremium zugerechnet wird. Tatsächlich haben die Hells Angels inzwischen in Berlin und Brandenburg ihre Vormachtstellung ausgebaut, laut Ermittlern sogar in ganz Ostdeutschland. Bei den Geschäften der Rocker geht es um Drogen, Waffen, Prostitution und mit Türsteherdiensten um die Kontrolle der Clubs und Diskotheken.

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