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Berlin: Siebzehnhundert Busse ostwärts

Mehr als 100 000 Menschen werden zum Protestzug erwartet – da muss bei der Logistik alles passen

Die ostdeutsche Bustouristik dürfte am morgigen Sonnabend weitgehend zum Erliegen kommen. „Da ist alles weggegrast“, sagt Dieter Pienkny, Sprecher des DBG Berlin-Brandenburg. Soll heißen: Mindestens 1700 Busse aus Brandenburg und Norddeutschland steuern Richtung Berlin, voll geladen mit protestgelaunten Menschen, die am „Europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau“ ins Pfeifkonzert gegen die „Agenda 2010“ der Bundesregierung einstimmen möchten – ihr Slogan: „Aufstehn! Damit es endlich besser wird“. Neben dem DGB haben zig weitere politische und soziale Organisationen zur Riesen-Demo aufgerufen, darunter Attac, Studentenorganisationen, kirchliche Gruppen und Frauenbündnisse.

Pienkny ist begeistert: „Wir sind überrascht, dass die Mobilisierung so gut läuft“. Dem Internet sei Dank. Dort brauchte man auf den DGB-Seiten nur „Anmelden“ anzuklicken und hatte damit einen Freifahrtschein nach Berlin gebucht. Weit über 100000 Menschen werden erwartet, die meisten davon Zugereiste. Für Andrew Walde, den Cheflogistiker des DGB, eine extreme Herausforderung. „Sieben Busse passen auf 100 Meter Straße“, hat er ausgerechnet. Macht rund 24 Kilometer Busschlange, die durch die Innenstadt geschleust und irgendwie weggeparkt werden muss. Eine kitzelige Sache.

Links und rechts vom Großen Stern wird die Straße des 17. Juni auf voller Breite zum Abstellplatz, der Rest der Schlange soll rund um Tiergarten und Alex einen Ruheplatz finden. Walde hat die Innenstadt in Parkzonen von A bis Q unterteilt, damit die Demonstranten wissen, wo sie ihren Bus wiederfinden. Über der Innenstadt wird ein eigens dafür gecharterter Verkehrsflieger kreisen, damit der Veranstalter die Übersicht behält.

Auf Andrew Waldes Schreibtisch im Charlottenburger DGB-Haus liegen Bündel von Listen, Ablaufplänen und Straßengrundrisse. Am linken Ohr klebt ein Telefonhörer. Die Genossen aus Nordrhein-Westfalen wollen wissen, warum zu den Protestfahnen keine Fahnenstangen geliefert wurden. Die Polizei fragt, ob noch Parkflächen gesperrt werden müssen. Zwischendurch steht ein Kollege in der Tür und interessiert sich für den „VIP-Bereich“ auf dem Pariser Platz. VIP-Bereich? Walde dachte, bei den Gewerkschaften gäbe es gar keine VIPs. Es stellt sich aber heraus, dass die Bosse vom DGB gerne exklusiv auf dem Pariser Platz parken möchten, um bequem zur Bühne auf der Westseite des Brandenburger Tores laufen zu können. Walde kümmert sich, wenn auch etwas widerstrebend. Die DGB-Promis bekommen schließlich noch einen eigenen VIP-Container mit rotem Sofa, Fernseher und DVD-Player zum Entspannen vor den kurzen Redeauftritten.

Walde und seine Helfer vom „Orga-Team“ versuchen, den Aufenthalt der Demonstranten in der Hauptstadt so bequem wie möglich zu gestalten. Busse mit Rentnern werden etwas näher am Aufmarschgebiet platziert. Videoleinwände werden über die Straße des 17. Juni verteilt, damit alle was sehen können. Bekannte Bands werden auftreten, fürs Essen ist gesorgt. Es wird sogar eine Sammelstelle für entlaufene Kinder eingerichtet.

UND 10

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