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Berlin: Siegessäule im Dunkeln

Abspecken ist das inoffizielle Motto zu Silvester – auch bei der Open-Air-Party am Brandenburger Tor

Abspecken gehört neben dem Ich-gewöhne-mir-das-Rauchen-ab zu den wichtigsten Vorsätzen zum Jahreswechsel. Willy E. Kausch hat damit schon jetzt angefangen. Nicht, weil der Chef der Silvesterparty am Brandenburger Tor Probleme mit der Figur hätte. Willy E. Kausch fühlt sich ganz wohl in seiner Haut, so sieht er jedenfalls aus. Nein, Willy E. Kausch speckt ab, weil es ihm und seinem Organisationsstab nicht anders geht als dem großen Rest der Wirtschaft: Das Geld wird knapp. Deshalb fällt die Silvesterparty, die er nunmehr zum achten Mal auf die Beine stellt, diesmal ein bisschen kleiner aus und liegt damit voll im Trend der Zeit.

Abspecken im Programm der Silvesterparty heißt jedoch nicht, dass es Unter den Linden und auf der Straße des 17. Juni weniger Gelegenheiten geben würde, seinen Winterspeck noch ein bisschen dicker werden zu lassen. Es bedeutet, dass es weniger zu gucken gibt. Die Lichtshow an der Siegessäule, die Willy E. Kausch zur Jahrtausendwende viele Scherereien einbrachte, in den letzten beiden Jahren aber zu einer festen Größe geworden war, fällt in diesem Jahr ersatzlos aus. „Zwischen 500000 und 600000 Euro geben wir dadurch weniger aus“, sagt Kausch und scheint gar nicht traurig zu sein. 1999 gab es einen wochenlangen erbitterten Streit um die Show, weil sich die Kritiker an Lichtspektakel des Dritten Reichs erinnert fühlten. Silvester wird die Siegessäule also im Dunkeln liegen, ganz am Rand der 2,5-Kilometer langen Feiermeile.

Abspecken bedeutet für den Fernsehsender Sat1, dass die Übertragung vom Brandenburger Tor auf insgesamt eine Stunde zusammengekürzt wird. Auf der Bühne solle es trotzdem den ganzen Abend Programm geben, verspricht der Sender, schließlich müsse vor der Sendung geprobt werden. Also läuft die Show unter anderem mit Bro’sis, Right Said Fred und der Band Die 3. Generation zwei- bis dreimal hintereinander. Ansonsten bleibt zwischen Siegessäule und Glinkastraße alles wie gehabt: Festzelte wechseln sich mit Imbissständen, einem Riesenrad und der Eisbar am Hotel Adlon ab und um Mitternacht gibt’s ein großes Feuerwerk. Neu ist ein Hochseilakt der Traber-Truppe über dem Brandenburger Tor. Alois Traber, Spross der Artistenfamilie, will an diesem Abend auf dem Seil seine Freundin Bellinda heiraten. Nicht nur deshalb ist Willy E. Kausch optimistisch, dass bis zu einer Million Gäste kommen werden.

Abspecken heißt für Natascha Kompatzki allerdings nicht, dass die Stadt für die Besucher an Attraktivität verliere. „Heute trägt man sein Geld lieber auf die Bank als ins Reisebüro“, sagt die Sprecherin der Berlin Tourismus Marketing (BTM), und deshalb sei die Silvesterparty am Brandenburger Tor auch in der schmaleren Variante besonders begehrt. Die Eintritt ist nämlich frei. „Die Leute fragen, wieviel es kostet, und sind froh zu hören, dass es kostenlos ist.“ Dass das Geld für eine Silvesterparty nicht mehr so locker sitzt, merken auch andere. So fällt diesmal die Silvestergala in der Staatsoper mit Konzert und anschließendem Tanz auf der Bühne aus. Übrig geblieben ist noch das Konzert mit Daniel Barenboim. Offiziell heißt es dazu in der Lindenoper, die Gala sei gestrichen worden, weil das Haus einen Opernball veranstalte, erstmals am 1. März 2003.

Wirklich abspecken will Willy E. Kausch in zwei Jahren. 2005 hört er auf, der Silvester-Zeremonienmeister zu sein. „Dann soll es ein anderer machen“, sagt er.

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