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Berlin: Silbernes Haar, goldene Kehle

Der Dieter Bohlen der Senioren: Norbert Wohlan, genannt Schlager-Norbi, lädt reife Talente zum Gesangswettbewerb.

Eines kann einer nie sein, der sich Norbi nennt: cool. Norbert Wohlan zuckt die Achseln und macht nicht den Eindruck, als würde ihn das groß schockieren. Er will Liebe, keine Kühle. Und hier im Seniorenclub in der Herthastraße in Grunewald, da bekommt er sie. Beim Gesangswettbewerb „Oldie-Superstar 60+“, den Norbi seit 2008 im Auftrag des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf auslobt. Und der ihm seither einen steten Zustrom von musikbesessenen Getreuen sichert, die ihrem Schlager-Norbi durch dick und dünn folgen.

Na ja, an diesem feuchten Vormittag jedenfalls erst mal bis in den Seniorenklub, in dessen Saal am 28. Oktober der Seniorencontest über die Bühne geht. Heute sind die Stuhlreihen weggeräumt, Yogamatten liegen aus, und die Kursleiterin ermahnt die Rentner, die im Vorraum Kaffee trinken, bloß nicht so laut zu plaudern. Ring!, ring! – die Frau hat nicht mit dem Handy von Roswitha Wichmann gerechnet. Sie und Lothar Ehrlich, zwei von Norbis Gesangstalenten, unterscheiden sich deutlich von den mit dem beigen Wandanstrich verschmelzenden Alten ringsum. Die beiden Sixtysomethings sind Sieger und sehen auch so aus: Roswitha, die sich auf der Bühne „fesche Lola“ nennt, trägt blondes Haar, Federboa und schweren Glitzerschmuck. Lothar hat ein weißes Nadelstreifensakko zum kastanienbraunen Schopf gewählt. Aus dem Hemdkragen baumelt sein silbernes Sternkreiskettchen – Waage.

Beide haben sie schon Norbert Wohlans DSDS für die Ü60 gewonnen. Gleich beim ersten Mal hat Roswitha ihre Paradenummer gesungen – „Ich will keine Schokolade“ von Trude Herr. Und Lothar dann im vergangenen Jahr seine: Hans Albers’ „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, natürlich im maritimen Dress und schön zum Mitschunkeln. Über- Sechziger, die Wichmann und Ehrlich nacheifern wollen, können sich ab sofort mit einer Demo-CD, einem Foto und einem Lebenslauf bei Norbi Entertainment bewerben. Wohlan wählt die maximal neun Kandidaten aus, die sich dann dem in der örtlichen Seniorenszene inzwischen zu einiger Berühmtheit gelangten Sängerwettstreit vor rappelvollem Haus stellen. Bis zu 40 Bewerbungen gehen inzwischen für eine Show ein.

Klar, dass die nicht alle so gestandene Halbprofis wie Roswitha und Lothar sind, die auch schon bei anderen Wettbewerben wie dem für die Ü40 in der Filmbühne am Steinplatz und dem für Ü50 mit dem Titel „Goldener Herbst“ im Freizeitforum Marzahn brilliert haben. „Ich mach’ Mucke für Ältere“, sagt der in Lichtenrade wohnende ehemalige Offsetdrucker Lothar. „AWO, Caritas, Familienfeste, inzwischen hab ich 480 Titel drauf.“ Und Keyboard spielt er auch.

Ganz so viele seien es bei ihr nicht, sagt Roswitha, die nach 26 Jahren als Binnenschiffersgattin in Bremerhaven nun seit einer Weile wieder mit ihrem Sohn im heimischen Berlin – genauer in Wartenberg – lebt. Auch sie lässt sich gern für Festivitäten buchen. „Musik ist mein Leben“, sagt sie und das ist keine Floskel. Sie habe viel erlebt, aber die Musik helfe ihr darüber hinweg, ja gäbe ihr Mut und Kraft. „Beim Singen, da ist mein Alter nur eine Zahl und gar nichts tut mir mehr weh.“ Lothar nickt, er sieht das genauso, auch wenn er nur halb so viel spricht wie Roswitha, die sogar schon im Fernsehen war – bei Dieter Bohlens „Supertalent“.

Mit dessen Bekanntheit kann Norbert Wohlan nicht mithalten, aber auf seine ganz eigene Art ist er auf dem besten Weg. Der gelernte Industriekaufmann ist 51, gebürtiger Rheinländer, seit 1980 in Berlin, lebt in Lichtenrade und hat vor fünf Jahren seine Hobbys Schlagersingen und Menschen-Unterhalten zum Beruf gemacht. „Ich habe das alles aus dem Nichts aufgebaut. Ich hatte ja keine Kontakte in die Branche“, sagt Norbi, der zwar einige Jahre die „Kultschlagerparade“ im Offenen Kanal moderierte, aber sonst nur vor Jahren die Fanpost des Duos Baccara erledigte.

„Das alles“ ist inzwischen ganz schön viel: Wohlan arbeitet als Kleindarsteller, ist als DJ, Spaßmacher, Sänger bei Festen oder auf Flusskreuzfahrten gebucht, veranstaltet Fan-Fahrten und den Songcontest für Senioren und produziert unterdessen seine eigenen Lieder. Sein Hit „Noche Cubana“ etwa gelangte in Schlagercharts und auf Sampler wie „Tresenhits“ oder „Mallorca-Partyhits“, freut sich Wohlan, der mit seiner Quäkstimme zwar nicht wirklich toll singen, aber Leute begeistern und in Schwung bringen kann. Ironiefreie Schlager- und Menschenliebe macht’s möglich. „Was ich gebe, bekomme ich zurück“, sagt er und hat dabei keine klingelnde Registrierkasse im Blick. Wieso er so gut bei den Alten ankommt? „Na, ich bin halt der Schwiegermuttertyp.“ Und dass seine Musik nun mal eher die älterer Semester sei. Norbi findet das gut, er ist ja selbst kein musikalischer Abenteurer. „Die Alten sind treue Fans. Wenn sie dich mögen, mögen sie dich.“

Und wie sie ihn mögen, ist ein paar Tage später am Samstagabend in Moabit zu sehen. Bei der Open Stage in der Sahara-City, einer schlichten Kneipe in der Ottostraße. Hier macht Norbi seit einigen Jahren einmal im Monat einen Jeder-kann-mitmachen-Abend. Halbplayback, Hackepeter-Brötchen, Pils, Pikkolöchen und ein zwei Dutzend Leute zählendes, reifes Publikum, das sich nach und nach als Trupp von Coversängern entpuppt. Natürlich sind auch die Getreuen dabei. Roswitha Wichmann sitzt gleich an der Tür – in großer Glitzergala. Neben ihr ein höflicher Herr im blütenweißen Oberhemd mit Anker auf dem dunkelblauen Schlips. „Guten Abend, ich bin Freddy Quinn“, sagt er. Stimmt ja gar nicht, auf der Bühne stellt er sich dann als Alfred Aulich vor, bevor er zu „Griechischer Wein“ von Udo Jürgens ansetzt. 81 ist er und ein guter Sänger. „Alfred hat auch schon bei Oldie-Superstar mitgemacht“, tuschelt einem der ganz in Hellblau gewandete Lothar Ehrlich von links ins Ohr. Norbi singt, Norbi wechselt die CDs, Norbi sagt die Sänger an, Norbi pustet Seifenblasen, Norbi schwenkt seinen Schal, die Leute klatschen mit, singen mit, sind eine Schlagerfamilie. „Norbi steht voll dahinter“, tuschelt einem Roswitha ins Ohr. Sogar Weihnachten habe sie bei ihm gefeiert. Auch andere Fans, die sonst nicht wussten, wohin. „Ich liebe den einfach“, sagt Roswitha.

Oldie-Superstar 60+ wieder am 28. Oktober im Seniorenclub Herthastraße 25A, Grunewald. Bewerbungen an Norbi Entertainment, PF 410226, 12112 Berlin, Tel. 216 29 58, Infos: www.norbi-schlager.de

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