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Bunter wird’s nicht. Zu Silvester wird nicht nur bei der großen Party am Brandenburger Tor ein Großfeuerwerk gezündet. Auch hunderttausende Berliner böllern und schicken ihre Raketen in die Luft, um das neue Jahr farbenfroh und laut zu begrüßen. Foto: AFP

© AFP

Silvester in Berlin: Lass es krachen – ohne Krach

Silvesterfeuerwerk ist zwar schön, aber produziert eine Menge Lärm und Feinstaub. Experten haben nun alternative Pyrotechnik entwickelt.

Es leuchtet, knallt und zischt, ein paar Minuten erstrahlt Berlin unter einem bunten Lichterteppich, dann ist alles wieder vorbei. Zurück bleiben tonnenweise Silvestermüll am Boden, mehr Feinstaub in der Luft und viele verschreckte Tiere. Im Tiergarten mussten die Veranstalter der großen Silvesterfeier im vergangenen Jahr 600 zertrampelte Sträucher für 40 000 Euro nachpflanzen. Um Nachhaltigkeit scheint sich sogar eine Gesellschaft, die ihre Bio-Produkte liebt und auf Ökostrom setzt, zum Jahreswechsel nicht zu kümmern. Aber geht’s nicht auch leise und umweltfreundlich, aber trotzdem spektakulär?

„Die Raketen müssen ja hochgeschossen werden und explodieren“, sagt Pyrotechniker Stefan Schallschmidt. Die Explosion verursacht nun mal einen Knall. Zwar gibt es durchaus auch geräuscharme Effekte wie römische Lichter und Wirbel, Fontänen und bengalische Feuer, doch die sind weitaus weniger spektakulär. Leiser ist also langweiliger, jedenfalls für Großfeuerwerke wie sie Schallschmidt ausrichtet. Der Pyrotechniker aus dem brandenburgischen Döbern ist in diesem Jahr mit seinem Team für das Feuerwerk am Brandenburger Tor verantwortlich. 6000 Raketen und Böller sausen dann in den Nachthimmel, elf Minuten lang.

„Die Leute wollen es laut“, sagt Jörg Stiersdorfer. Der Chemiker an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität beschäftigt sich damit, wie Feuerwerk umweltverträglich sein kann. Noch verschmutzt das Leuchtspektakel erst die Luft und – nachdem es zu Boden gefallen ist – Parks, Straßen und Gehwege. „Wenn wir Feuerwerkskörper abbrennen, steigt die Belastung der Luft mit Schadstoffen explosionsartig an“, heißt es aus dem Umweltbundesamt. Zu großen Teilen bestehe der Feuerwerksqualm aus Feinstaub. „Am ersten Tag des neuen Jahres ist die Luftbelastung mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch wie sonst im ganzen Jahr nicht“, teilt die Behörde mit.

Für Feuerwerker mit Umweltbewusstsein hat Stiersdorfer eine Lösung parat: Strontiumtetrazolat. Den Metallkomplex ergänzten die Münchener Forscher um bestimmte Atomgruppen. Das Ergebnis: Pyrotechnik, die rot leuchtend abbrennt, aber weniger Feinstaub und Rauch produziert als herkömmliches Feuerwerk. Auf den Flugzeugträgern der US Navy verwenden die Einweiser bereits Signalfackeln mit Strontiumtetrazolat, sagt Stiersdorfer. Auch die Disney-Vergnügungsparks, die jeden Abend bunte Raketen in den Himmel schießen, setzen darauf. Doch so vielversprechend die Entdeckung klingt, so weit ist Strontiumtetrazolat vom kommerziellen Durchbruch entfernt. Es sei etwa zehn Mal teurer als jene Pyrotechnik, die vor dem Jahreswechsel in den Regalen der Geschäfte liegt, sagt Stiersdorfer. „Die Leute interessieren sich an Silvester nicht für die Umwelt, die Raketen sollen nur möglichst billig sein.“ Die neuen Böller gibt es deswegen noch nirgends zu kaufen.

Selbst bei schadstoffarmen Raketen bekämen heimische Tierarten wie Zaunkönig, Rotkehlchen, Habicht und Fuchs zum Jahreswechsel einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Deren Gesundheit gefährde die traditionell laut- und lichtstarke Begrüßung des neuen Jahres aber nicht, sagt Herbert Lohner, Referent für Naturschutz beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Berlin. „Diese kurzfristige Störungen können von den Tieren gepuffert werden“, sagt er. Erst wenn es jede Nacht Feuerwerk gebe, würden Arten verschwinden.

Wirklich umweltfreundlich ist Feuerwerk nur, wenn es unangezündet am Boden bleibt. Aber wer will das schon?

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