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Berlin: Silvester in Berlin: Neujahrs-Botschaft der Feuerwehr: Augen zu und durch

Hält der Computer durch? Die Feuerwehr hat ihr kompliziertes neues System in der Leitstelle gestern Abend erneut auf Silvestertauglichkeit getestet.

Hält der Computer durch? Die Feuerwehr hat ihr kompliziertes neues System in der Leitstelle gestern Abend erneut auf Silvestertauglichkeit getestet. Ein erstes Ergebnis soll heute vorliegen. Nach Informationen des Tagesspiegels hatte die Führungscrew der Leitstelle dafür plädiert, Silvester den Computer von vornherein abzuschalten, konnte sich damit aber nicht bei Landesbranddirektor Broemme durchsetzen. Man könne "so einen teuren Rechner nicht einfach abschalten", hieß es. Im vergangenen Jahr hatte es schwere Pannen mit dem alten Computersystem gegeben.

Seit drei Monaten läuft der 50 Millionen Mark teure "Ignis"-Rechner, der seitdem immer wieder Macken offenbarte oder ganz versagte. Unabhängig vom Test-Ergebnis wird die Feuerwehr am Silvesterabend ab 20 Uhr parallel mit den herkömmlichen Stecktafeln arbeiten - für den Fall des Systemabsturzes. In der letzten Silvesternacht hatte die Feuerwehr nach dem totalen Versagen der alten Leitstelle den Überblick über Einsätze und Fahrzeuge völlig verloren - am Ende löschte die Polizei mit Wasserwerfern.

Bei dem vierstündigen Test in der Nacht zu heute sollten die beim ersten Silvestertest am 4. Dezember entdeckten Mängel entschärft werden. So wurden gestern die Feuerwachen nicht über digitale Meldeempfänger alarmiert, sondern herkömmlich: Die Alarmzettel werden auf den Wachen auf Papier ausgedruckt. Das Ignis-Problem der langsamen digitalen Alarmierung gilt derzeit als unlösbar. Silvester sollen nur die Notarztwagen digital alarmiert werden.

Nicht nur die Technik hakt, auch der Mensch. "Viele sind ungeeignet für die Arbeit in der Leitstelle", räumt die Feuerwehr ein. Denn der neue Computer sei derart kompliziert, dass die Arbeit an bis zu vier Bildschirmen gleichzeitig ein hohes Maß Verständnis erfordert. Nur 50 Prozent der 130 Mitarbeiter der Leitstelle seien bislang geschult, sagte Landesbranddirektor Broemme. Die arbeiteten nach dem Motto "was ich kann, mach ich, was ich nicht kann, mach ich nicht". Nur gut Ausgebildete könnten bei Problemen im System die richtigen Tasten drücken. Die Arbeit am Charlottenburger Nikolaus-Groß-Weg gilt bei vielen wegen des hohen Stresses und des unzureichenden finanziellen Ausgleichs ohnehin als unbeliebt. "Wir brauchen aber jede Hand", sagte Broemme. Silvester soll das Personal in der Leitstelle verfünffacht werden.

Bei vielen Mitarbeitern der Leitstelle herrscht Skepsis vor. "Das System ist noch nicht reif", lautet der Tenor. Die Schwächen der Software sollen vor Silvester nicht mehr beseitigt werden. "Da würden wir nur neue Fehler reinbauen", heißt es. Eine der gravierendsten Schwachstellen ist, dass der Computer der Firma Bull nicht das mehrfache Drücken der "Sprechwunschtaste" erkennt. Wenn zum Beispiel die Besatzung eines der knapp 700 Feuerwehrautos mit der Leitstelle sprechen will, betätigt es diese Taste. Weil "Ignis" nicht so schnell antworten kann wie die alte Leitstelle, drücken viele Feuerwehrmänner aus Nervosität die Taste mehrfach hintereinander. Auch nach dem Funk-Gespräch mit dem Fahrzeug leuchtet die Anzeige "Sprechwunsch" in der Leitstelle auf und erlischt erst nach einem weiteren Gespräch. Dieses Spielchen wiederholt sich bis zu einem halben Dutzend Mal. "Das nervt schon an normalen Tagen", kritisiert ein Insider: "Silvester kann das problematisch werden." Broemme hat seinen Leute "absolute Funkdisziplin" verordnet.

Sollte der Computer in der Silvesternacht mucken, wird direkt auf Handbetrieb umgestellt. Denn jedes Runterschalten auf ein weniger kompliziertes Computersystem kostet 5 bis 15 Minuten Zeit. An einem normalen Tag sei das drin, sagen Experten, nicht aber Silvester. Nun soll der Bull-Computer beim ersten Anzeichen eines Langsamerwerdens abgeschaltet werden. Die Alarme werden ausgedruckt und der Standort der Fahrzeuge mit winzigen Täfelchen auf einer großen Stecktafel angezeigt. "Das ist wie Mittelalter", höhnt ein Mitarbeiter. Aus der Wende-Zeit sind die Stadtpläne im Feuerwehr-Computer. Dort heißt der Platz der Vereinten Nationen unverdrossen "Leninplatz".

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