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Berlin: Sitz Nummer 63

Der Abgeordnete Steffel will endlich Macchiavellis „Fürst“ lesen

Aus der dritten Reihe des Plenums betrachtet wirkt so eine Sitzung des Abgeordnetenhauses offenbar fad. Frank Steffel saß am Donnerstagnachmittag nur eine gute halbe Stunde auf dem neuen Platz, bevor es ihn wieder hinauszog aus dem Sitzungssaal, dorthin, wo die Politik spannender ist, in die nichtöffentlichen Besprechungen am Rande des Parlaments. Wer sich in den Tagen nach Steffels Rücktritt vom Fraktionsvorsitz nach der Stimmung des CDUPolitikers erkundigte, dem ließ Steffel ausrichten, er sei „erleichtert“. Politikergesichter müssen schweigen können, doch sah Steffel bei der ersten Plenarsitzung, an der er als einfacher Abgeordneter teilnahm, eher angespannt und nervös aus, unvertraut mit der Rolle des Ex-Chefs. Nun ist er, jedenfalls sitzordnungsmäßig, ein Reinickendorfer unter anderen Reinickendorfern, mit einem schönen breiten Sessel Abstand zum Abgeordneten Peter Kurth.

Steffel hat, wie aus der Fraktion zu hören ist, einen schnellen Schnitt gemacht, als am vergangenen Freitag Nicolas Zimmer zu seinem Nachfolger gewählt worden war: Ohne Zögern habe er den Dienstwagen abgegeben und sein Zimmer geräumt. Dass es mächtig arbeitet in dem noch ziemlich jungen Politiker, teilt er einem größeren, nicht unbedingt in Berlin lebenden Publikum durch die „Bunte“ mit. In deren jüngster Ausgabe schreiben zwei Damen im Vorspann ihres Interviews mit Steffel, er sei „zermürbt von Lügen und Intrigen“. Dann erinnern sie an jede Fiesigkeit, die Steffel in den vergangenen zwei Jahren erlebt hat: „Hohn und Spott“ habe er auf sich gezogen, als im Bundestagswahlkampf Eier in Richtung Edmund Stoibers flogen und Steffel „instinktiv hinter dem Kanzlerkandidaten in Deckung ging“. Auch „Gerüchte um den Zustand seiner Ehe“ erwähnt die „Bunte“.

Im Interview erzählen Frank und Katja Steffel in freundlicher Zweisamkeit vor sich hin, von Träumen „außerhalb der Politik“ zum Beispiel. Steffel freut sich über die „Ruhe“, in der er „über die vielen Anfragen“ nachdenkt, die ihn erreichen. Er sagt über den „Kennedy von der Spree“, das sei „Quatsch“ – und er will den „Fürsten“ von Macchiavelli lesen. Den hätten ihm Freunde geschenkt und gesagt: „Das ist das, was dir fehlt“. Wer diese Betriebsanleitung für kühle Herrschaft kennt, der begreift dank der „Bunten“ das Ausmaß der Ironie, zu der Frank Steffel fähig ist. Nur seine buchschenkenden Freunde sind noch komischer. wvb.

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