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Smiley-System: Zu wenig Kontrolleure für Gastro-Qualitätssiegel

Berlin ist das Land mit den besten Ideen zum Verbraucherschutz, aber fast Schlusslicht bei den Kontrollen. Für Smiley-System nach dänischem Vorbild fehlen in Bezirken 370 Mitarbeiter. Der Senat will die Testergebnisse aus Lokalen trotz rechtlicher Bedenken offenlegen.

Berlin ist fast Schlusslicht bei den Kontrollen. Das berichten Verbraucherschutzverbände in ihrem Abschlussbericht 2010, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Wegen Personalmangels in den Bezirksämtern und der angespannten Haushaltslage könnte nach Informationen des Tagesspiegel auch die Einführung eines landesweiten Bewertungssystems von Gastronomiebetrieben scheitern. Denn für ein System nach dänischem Vorbild, das bisher favorisiert wurde, fehlen dem Land derzeit Hunderte Kontrolleure.

Die Berliner wollen aber den Smiley. 78 Prozent sprachen sich in einer Umfrage 2009 dafür aus, die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen für alle Berliner Bezirke öffentlich zu machen. Die Politik zieht mit. Seit 2009 läuft in Pankow ein Modellprojekt. Lebensmittelbetriebe, die besonders hygienisch sind, bekommen hier auf Antrag einen lachenden Smiley, den sie aushängen können und werden namentlich im Internet gelistet. Nun sollen die Smileys bald in ganz Berlin hängen. Im März 2010 verständigten sich die Bezirke mit dem Senat darauf, die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen überall öffentlich zu machen. Vorbild soll das dänische System sein, das aber weitreichender ist, als das Pankower Modell.

Poul Ottosen hat als Staatssekretär in Dänemark die Einführung 2001 begleitet. Er berichtet von durchweg guten Erfahrungen. In Dänemark gebe es derzeit, anders als in Pankow, auch unzufriedene und weinende Smileys. Die öffentlichen Bewertungen ersetzten keinesfalls Betriebsschließungen bei schlimmen Verfehlungen. Laut Statistik gab es deshalb seit Einführung vor allem eine Verschiebung im Mittelfeld der Bewertungsskala. Gab es kurz nach der Einführung noch bei 26 Prozent der Betriebe leichte Mängel, waren es 2009 nur noch elf Prozent. Entsprechend stieg der Anteil der Betriebe ohne Beanstandungen. In Dänemark habe das Smiley-System zudem kaum Kosten verursacht, so Ottosen.

In Berlin sind die Bezirke skeptischer. Kurz vor der Sommerpause platzte ein Treffen der Ordnungs- und Gesundheitsstadträte, bei dem man sich auf verbindliche Eckpunkte festlegen wollte. Einige Bezirke hatten Bedenken. Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) sieht das Problem vor allem bei der „Ungleichbehandlung der Wirte“. Er rechnet mit Klagen, falls ein Gastronom bei einer Kontrolle schlecht bewertet wird – und erst Monate oder Jahre später Gelegenheit bekommt, seinen Fehler wieder auszubügeln. In Dänemark kann innerhalb eines Monats eine Nachkontrolle anberaumt werden. In Berlin ist das derzeit undenkbar. Ein Kontrolleur kommt in Dänemark auf 137 Betriebe, in Berlin auf 925. Eine regelmäßige Kontrolle sei so nicht zu machen, sagte Buschkowsky.

Wollte man rechnerisch die gleiche Kontrollfrequenz wie in Dänemark gewährleisten, müssten etwa 370 Kontrolleure zusätzlich eingestellt werden. Finanzielle Zusagen der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz gibt es bisher aber nicht. Dort ist man derzeit dabei zu prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage man Kontrollergebnisse überhaupt veröffentlichen darf. Barbara Loth, Gesundheitsstadträtin in Steglitz-Zehlendorf hält das jetzige Verbraucherinformationsgesetz beispielsweise für nicht ausreichend. Dort werde nur „beiläufig“ geregelt, dass man auch schlechte Ergebnisse öffentlich machen könne. Wie die meisten Bezirke fürchtet auch sie Klagen von Gastwirten wegen Geschäftsschädigung und möchte Rechtssicherheit. In Pankow werden auf Grundlage dieser „beiläufigen“ Regelung bereits Fotos und Namen unhygienischer Betriebe im Internet veröffentlicht.

Laura Gross von der Verbraucher Initiative Berlin lässt Gegenargumente nicht gelten: „Es kann auch in einer finanziell angeschlagenen Hauptstadt nicht länger darum gehen, Gründe zu benennen, warum wesentliche Leistungen des Verbraucherschutzes nicht erbracht werden können“, sagte sie. Das Pankower Modell müsse „allen Widrigkeiten zum Trotz“ in Berlin eingeführt werden. Auch Peter Lischke, Geschäftsführer der Verbraucherschutzzentrale Berlin befürwortet das Smiley-System. Nur durch Information erhalte man „mündige Verbraucher“. Nach wie vor hält deshalb Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) an einer Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollen nach dänischem Vorbild noch im Jahr 2010 fest.

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