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Berlin: So hoch wie 15 Stockwerke

Der Baum des Jahres 2012 ist auch Berlins Größter

Wer den frisch gekürten „Baum des Jahres 2012“ besuchen will, startet besser nicht auf gut Glück. Denn die Europäische Lärche macht nur gut ein Prozent des Berliner Waldbestandes aus. Kleine Gruppen, oft verborgen im Kiefern-Einerlei. Doch im Tegeler Forst gedeiht die Lärche schlechthin: die Burgsdorf-Lärche, Berlins höchster Baum. Den Titel holte sie im Jahr 2000 mit damals 43 Metern. Inzwischen dürften es 45 sein. Der Rekord gilt bis zum Beweis des Gegenteils.

Ein Baum von der Höhe eines 15-Geschossers sollte leicht zu finden sein, glaubt man beim Start am Tegeler See. Am Ufer leuchtet das Laub in Farben, die man ihm kaum zugetraut hätte. Zu Beginn des Waldes führt ein Abstecher zur „Dicken Marie“. Die 900-jährige Eiche gilt als ältester Baum Berlins. Aber das nur am Wegesrand. Der Weg zur Lärche ist als Radroute 5 beschildert und von Buchen gesäumt, deren Gelbphase gerade beginnt. Jenseits der Konradshöher Straße tönt der melancholische Ruf des Schwarzspechts über bemooste Stämme, die ein Orkan 2002 fällte. Dann rechts ein Hügel, auf dem die Lärche in unerwarteter Bescheidenheit himmelwärts ragt. Ohne das Hinweisschild zu ihrem Fuß könnte man sie fast übersehen – weil die ganze Gehölzversammlung hier steht wie ein Basketballteam: eine riesige Kastanie zwischen endlosen Buchen neben einer XXL-Kiefer in bedenklicher Schieflage. Und mittendrin auf dem Chefposten die Burgsdorf-Lärche. Schlank und unknorrig ist sie trotz ihrer fast 220 Jahre. Ihr unterster Ast hängt etwa auf zwei Dritteln, also quasi in der zehnten Etage. Der grüne Bereich beginnt noch weiter oben. Wer die wunderbar weichen Nadeln fühlen will, muss sich deshalb nach einem der wenigen Zweige bücken, die herabgefallen sind. Auf dem Waldboden liegen sie zwischen Zapfen sowie Massen von Bucheckern und einigen Kastanien aus der Nachbarschaft. In ein paar Tagen werden die Nadeln der Lärche erst grellgelb in der Sonne leuchten und sich als goldener Teppich auf den Waldboden legen.

Vermutlich werfen die aus Hochgebirgen stammenden Lärchen alljährlich ihre Nadeln ab, um sich vor strengem Frost zu schützen. Sicher ist, dass sich ihr wetterfestes Holz exzellent für Stege und Terrassen eignet. Die Fassaden von Finnischer Botschaft und FEZ Wuhlheide sowie die Schallschutzwände der Autobahn nach Schönefeld sind mit Lärche verkleidet.

Ein derart profanes Ende muss dieses Exemplar hier nicht mehr fürchten. Die Burgsdorf-Lärche verdankt ihren Namen und ihre Existenz dem Geheimrat Friedrich August Ludwig von Burgsdorf. Der adlige Oberforstmeister pflanzte sie sowie viele Eichen und Buchen im Revier um 1795. In jener Zeit war „Nachhaltigkeit“ noch keine plattgeredete Allerweltsparole, sondern Försterlatein. Dabei war von Burgsdorf durchaus auch an der wirtschaftlichen Verwertung des Waldes interessiert und erfolgreich darin.

Dass Lärchen trotz ihres vorzüglichen Holzes in den Berliner Forsten eine Ausnahme bleiben werden, liegt an ihrer Geschichte als Migrantinnen und an der Lieferzeit: Was jetzt gepflanzt wird, kann kaum vor 2080 geerntet werden. Wer weiß schon, was dann gefragt ist. So hat die Burgsdorf-Lärche gute Chancen auf einen langen Lebensabend. Den 1000. Geburtstag der Dicken Marie dürfte sie allemal erleben. Stefan Jacobs

Eine Wanderung zu den Rekordbäumen ist auf den Seiten des Senats beschrieben: www.stadtentwicklung.berlin.de/forsten/ausflugstipps/de/2004/juli.shtml

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