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So kann’s gehen: Bitte am Stiel anfassen

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder.

Die Bilder eines deutsch-französischen Politikertreffens haben mich überrascht. Wegen der unterschiedlichen Art, die Gläser anzufassen. Kann man in dem Zusammenhang von „richtig“ oder „falsch“ reden?

Manche Zeitgenossen halten es für besonders locker und schick, das Glas lieber am Kelch zu halten statt am Stiel. Aber das ist natürlich ein Irrtum, der sich auf geheimnisvollen Wegen immer wieder einen Weg bahnt in die Getränkekultur. Besonders bei Weißwein gibt es zudem einen ganz praktischen Grund, das Glas besser am Stiel festzuhalten. Umklammert man den Kelch mit der Flüssigkeit, erwärmt sich der Wein doch unnötig und schmeckt dann nicht mehr so gut. Das gilt natürlich auch für Rosé. Aber selbst bei einem gut temperierten Roten ist es nicht stilvoll, den Kelch zu greifen. Da Rotweingläser oft sehr bauchig sind, müsste man da schon beide Hände zu Hilfe nehmen und das sieht dann definitiv nicht locker aus, sondern unentspannt bis trampelig.

Nur wenn der Stiel eines Glases zu kurz ist, um ihn wirklich anmutig zwischen den Fingern balancieren zu können, darf man den Kelch festhalten. Das ist nicht nur bei Cognacschwenkern der Fall, sondern auch bei manchen Biergläsern. Nun mögen Sie einwenden, dass Bier sich ja auch nicht erwärmen sollte im Griff der warmen Hände. Aber das fließt vielleicht ohnehin rascher die Kehle runter als der schwerere Wein.

Noch ein weiteres praktisches Argument spricht für das Halten des Glases am Stiel. Beim Anstoßen wird auf diese Weise ein schöner Klang erzeugt. Zwar stößt man heute längst nicht mehr so oft an wie früher. Aber bei bestimmten festlichen Gelegenheiten kommt es doch noch vor. Alte Tabus, nach denen Weintrinker nicht anstoßen sollten mit Saft- oder Wassertrinkern, sind freilich überkommen. Solche Einschränkungen passen einfach nicht in eine multikulturelle Gesellschaft.

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