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So kann’s gehen: Distanz suchen?

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder

Bei einer Kur lernte ich eine Dame kennen, mit der ich einiges gemeinsam unternahm. Später besuchten wir uns gegenseitig mal. Da es mir nicht gut geht, brauche ich meine Kraft für Familie und enge Freunde. Aber immer wieder steht sie plötzlich vor der Tür und schickt kleine Aufmerksamkeiten. Wie kann ich mich wehren?

Die Bekannte meint es sicher gut und ist überzeugt, Ihnen eine Freude zu bereiten, wenn sie immer wieder die Initiative übernimmt für ein Treffen. Freilich ist es nicht wirklich höflich, ohne Verabredung einfach auf der Matte zu stehen. Normalerweise verabredet man sich doch am Telefon oder per Mail. Und da ist es einfach, unter Hinweis auf familiäre Pflichten oder gesundheitliche Probleme, ein Treffen hinauszuzögern bis zu einem ungenannten Zeitpunkt, an dem man sich wieder meldet.

Auch wer sehr motiviert ist, den Kontakt mit einer Zufallsbekanntschaft zu pflegen, sollte solche Signale verstehen. Wenn Sie die deutlich aussenden, brauchen Sie sich auch nicht durch kleine Aufmerksamkeiten verpflichtet zu fühlen. Kleine Geschenke mögen die Freundschaft erhalten, sie können sie aber nicht erzwingen. Zuzugeben, dass einem einfach alles zu viel wird und man eine Kontaktpause braucht, ist auch nicht verboten. Immer wieder glauben Leute, besser zu wissen, was gut für einen Menschen ist, als dieser selber. Das mag in Ausnahmefällen so sein. In der Regel ist es aber überaus anmaßend, so zu denken. Wer sich aufdrängt, und mag er auch von besten Absichten getrieben sein, wird leicht zur Nervensäge.

Viel besser wäre es, die Bekannte würde sich verabschieden mit dem Wunsch, ein Treffen zu vereinbaren, sobald Sie dazu bereit sind. Das fällt ihr schwer, weil es sie in eine passive Rolle drängt. Sie muss ja warten, anstatt aktiv zu sein. Auf diese Weise praktiziert sie freilich eine höhere Form der Philanthropie, als wenn sie einfach kopfüber ins Haus platzt und schlicht stört. Kaum etwas macht Menschen so hilflos wie der Wunsch, anderen zu helfen. Sich das einzugestehen, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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